Rechtsanspruch „Kita-Platz“? 9 Tipps und 1 Merkblatt für Ihre Mandanten!

Ab dem 1. August 2013 haben Kinder zwischen dem 1. und 3. Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz U3. Der ein oder andere Mandant hat Sie bestimmt schon gefragt, mit welchen Chancen er diesen Rechtsanspruch durchsetzen kann oder aber Schadensersatz verlangen kann.

Autorin Carmen Grebe hat für Sie ausführliche Antworten auf die typischen Mandantenfragen zum Thema „Rechtsanspruch Kita-Platz“ zusammengestellt. Grebe arbeitet als Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht in Köln.

Praktisch: Die Tipps gibt es auch als professionell formatiertes Mandantenmerkblatt, das Sie hier kostenfrei herunterladen können.

Händigen Sie das Merkblatt einfach an Ihre wissbegierigen Mandanten aus – damit bieten Sie Eltern einen hochwertigen, topaktuellen Service und machen gleichzeitig Werbung in eigener Sache!

 

1. Wer hat ab dem 01.08.2013 einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz?

Jedes Kind zwischen dem ersten und dem dritten Lebensjahr, unabhängig davon, ob die Eltern berufstätig sind oder nicht. Anspruchsteller ist das Kind, vertreten durch seine Eltern.

2. Gilt der Anspruch auf jeden Fall für einen Platz in einer Kindertagesstätte?

Nein. Der Anspruch gilt ausdrücklich für einen Platz in einer Kindertagesstätte oder in einer Tagesbetreuung, d.h., das Kind kann z.B. auch bei einer Tagesmutter untergebracht werden. Ein Wahlrecht der Eltern gibt es nur dann, wenn auch tatsächlich verschiedene Plätze zur Verfügung stehen.

(Anm. der Redaktion: Entgegen dieser Auffassung hat das Verwaltungsgericht Köln (Az. 19 L 877/13) in einem Eilverfahren überraschend entschieden, dass Eltern ein grundsätzliches Wahlrecht haben sollen. Nach Meinung der Richter könne das Gesetz auch auf diese Weise ausgelegt werden. Eltern, die eine Kita-Betreuung wollen, dürften demnach nicht mit einem Platz bei einer Tagesmutter „abgespeist“ werden.

Nachtrag: Nur wenige Wochen später hat das Oberverwaltungsgericht den Beschluss kassiert und der Stadt Köln Recht gegeben. Weitere Informationen zum Verfahren lesen Sie hier.)

3. Bekomme ich Schadensersatz, wenn ich keinen Betreuungsplatz für mein Kind finde?

Kann ein Elternteil aufgrund eines fehlenden Betreuungsplatzes eine existierende Arbeitsstelle nicht antreten, kann auf Schadensersatz geklagt werden, wenn tatsächlich keine anderen Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dann müsste die Kommune den Verdienstausfall bezahlen.

Das heißt aber: Es darf keine Oma oder Nachbarin geben, die sich um das Kind kümmern könnte und auch keinen Platz in einer Kita eines freien oder privaten Trägers. Dies nachzuweisen ist allerdings nicht einfach.

Wenn es niemanden in der Familie gibt, der das Kind betreuen kann, die Eltern aber auf einen Platz in einer privaten Kita zurückgreifen können, muss die Stadt die Differenz zwischen der regulären Kita-Gebühr und den Mehrkosten für die private Einrichtung zahlen.

Übrigens: die Oma oder die Nachbarin muss auch nicht kostenfrei betreuen. Wenn die Oma tatsächlich Geld für ihre Betreuungsleistung erhält, so können diese Kosten auch angeführt werden. Die Oma muss allerdings darauf achten, dass sie diese Einkünfte versteuert.

In jedem Fall müssen die Eltern versuchen, die kostengünstigste Lösung zu wählen. Sie trifft hier die sogenannte Schadensminderungspflicht. Das heißt, dass die „Luxus-Kita“ nicht erstattet wird, wenn es günstigere Alternativen gibt.

4. Gilt der Anspruch für eine Ganztagsbetreuung?

Der Zeitraum der Betreuung ist gesetzlich nicht festgelegt. Der Grundbedarf geht von vier Stunden an fünf Tagen in der Woche aus. Eltern können auch einen größeren Bedarf und auch ungewöhnliche Zeiten geltend machen.

Wenn dies dem Kindeswohl entspricht, dann ist das der Bedarf, den die Eltern auch notfalls einklagen können. Die Eltern sollten daher bereits bei der Anmeldung ihres Kindes ganz genau darlegen, wie viele Stunden Betreuung sie an welchen Tagen und zu welchen Zeiten benötigen.

5. Wie weit darf der Betreuungsplatz vom Wohnort entfernt liegen?

Auch das ist im Gesetz nicht geregelt. Die Kommune kann der Familie also durchaus einen von der eigenen Wohnung weit entfernt liegenden Betreuungsplatz zuteilen. Das ist sogar nachvollziehbar, da es kinderreiche und kinderarme Gegenden gibt.

Fehlen an einem Ort Betreuungsplätze, könnte dies also durch überschüssige Plätze in kinderarmen Gebieten ausgeglichen werden. Die Frage ist allerdings, welcher Zeitaufwand für die Fahrt zum Betreuungsplatz zumutbar ist. In jedem Fall muss der Platz gemessen am Kindeswohl und je nach Einzelfall zumutbar sein.

Nicht zumutbar ist eine 3-stündige Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln quer durch die Stadt. Allerdings dürfte ein 10-minütiger Fußweg, aber auch eine 20-minütige Autofahrt je nach den Umständen des Einzelfalls zumutbar sein. Eltern, die den zugewiesenen Platz hinsichtlich der Entfernung als nicht zumutbar erachten, sollten die Umstände, die sie vortragen wollen, genau auflisten und der Stadt mitteilen.

Sie sollten darauf hinweisen, dass der Platz wegen der Entfernung nicht zumutbar und der Rechtsanspruch somit nicht erfüllt ist. Notfalls muss auch hier das Gericht entscheiden, wenn den Eltern keine zumutbare Alternative angeboten wird.

6. Bekomme ich einen Platz in einer Kita oder bei einer Tagesmutter, auch wenn mein unter dreijähriges Kind bereits privat oder von einer „teureren“ Tagesmutter betreut wird?

Diese Familien werden es bei einer Klage am schwersten haben. Denn sie haben bereits bewiesen, dass sie sich die Betreuung leisten und sie selbst organisieren können. Allerdings hat jedes Kind diesen Anspruch, so dass man auch diesen Familien etwas wird anbieten müssen. Auch hier gilt für die Eltern, dass sie ihren konkreten Bedarf benennen und einen entsprechenden Antrag bei der Kommune stellen sollten.

Diese Eltern können sich somit nicht einfach die Differenz zwischen dem kommunalen Kitaplatz und den höheren Kosten einer privaten Einrichtung ersetzen lassen, sondern müssten ebenfalls zunächst, wenn ihnen kein Platz angeboten werden kann, auf Zuteilung eine Platzes klagen und erst dann Schadensersatz geltend machen.

7. Wann lohnt es sich, den Anspruch auf einen Platz einzuklagen?

Noch fehlen die Erfahrungswerte, um zu sagen, wie aussichtsreich eine Klage tatsächlich ist. Generell ist Eltern mit Kindern unter drei Jahren, die einen Betreuungsplatz brauchen, zu raten, so früh wie möglich einen Antrag zu stellen.

Sie sollten sich jedoch auch nicht mit allem zufrieden geben. Sollte die ihnen angebotene Tagesmutter mit dem Kind nicht zurechtkommen oder sollten sonstige Gründe erkennbar sein, die den Platz für das Kind als nicht zumutbar erscheinen lassen, so sollten die Eltern dies der Stadt mitteilen und darauf hinweisen, dass der Rechtsanspruch damit als nicht erfüllt angesehen wird.

Hier muss jedoch sehr genau argumentiert werden. Notfalls muss auch hier das Gericht entscheiden, ob der Platz zumutbar ist oder nicht.

8. Wie lange dauert es, bis über die Klage entschieden ist?

Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, bei denen die Klage eingereicht werden muss, dauern unter Umständen sehr lange – und dann braucht man womöglich gar keinen Betreuungsplatz mehr.

Zum einen besteht hier die Möglichkeit, den Anspruch in einem sogenannten Eilverfahren geltend zu machen. Dies ist ein beschleunigtes Verfahren, welches im Einzelfall, wenn kein Aufschub mehr geduldet ist, den Eltern die Möglichkeit einräumen soll, schnell eine kurzfristige Entscheidung herbeizuführen. Aber hier ist ein gewisses Eilbedürfnis, welches ja eigentlich allen Klagen innewohnt, entsprechend zu begründen.

Die regulären Klageverfahren sollen aber auch sicherlich nicht dazu führen, dass irgendwann das Kind zu alt ist, um diesen Anspruch auch tatsächlich umzusetzen. Der Antrag, den die Eltern stellen, ist auf die Zukunft gerichtet, d.h. wenn der Platz jetzt nicht zur Verfügung gestellt wird, aber vielleicht drei oder vier Monate später, dann ist das ja für die Eltern auch noch interessant.

Die Zwischenzeit muss dann eventuell durch private Betreuungsformen überbrückt werden, für die die Eltern dann anschließend Schadensersatz verlangen können.

9. Wer zahlt die Kosten für eine Klage?

Auch in diesen Fällen gilt: Der Verlierer zahlt. Allerdings kann es sein, dass die Familie in Vorkasse treten muss, sofern sie keine Rechtsschutzversicherung hat. Mittellose Familien können Prozesskostenhilfe beantragen.

Über die Möglichkeiten und die Kosten in dem jeweiligen Einzelfall beraten die Anwältinnen/Anwälte, die die Eltern in dem Verfahren begleiten. Es lohnt sich in jedem Fall, dazu eine juristische Beratung in Anspruch zu nehmen, die maximal 226,10 € kosten darf.

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht Carmen Grebe, Köln