Elternunterhalt berechnen – bei Kindern mit weniger Einkommen als der Ehegatte

Ermittlung des Elternunterhalts: Der BGH hat eine Berechnungsmethode entwickelt, mit der Sie Elternunterhaltsfälle rechtssicher lösen können. Viele Anwälte und Richter haben aber immer noch Schwierigkeiten, den Elternunterhalt zu berechnen (zumindest in den Fällen, in denen das unterhaltspflichtige Kind weniger verdient als sein Ehegatte oder überhaupt kein eigenes Einkommen hat).

BGH, Beschl. v. 23.07.2014 – XII ZB 489/13, DRsp-Nr. 2014/12227

Deshalb hat der BGH seine Rechenmethode noch einmal präzise erklärt – in einem neuen Fall zum Elternunterhalt. Gleichzeitig verteidigen die Karlsruher Richter ihre Methode gegenüber der Kritik, die in der Literatur teilweise aufgekommen war.

 

Leistungsfähigkeit beim Elternunterhalt aufgrund eines individuellen Familienbedarfs

Bei der aktuellen Elternunterhalts-Entscheidung des BGH lassen sich folgende zwei Punkte festhalten:

1. Verbleibt dem unterhaltspflichtigen Kind, das über geringere Einkünfte als sein Ehegatte verfügt und dessen Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt auf der Grundlage eines individuellen Familienbedarfs zu ermitteln ist, von seinem Einkommen ein entsprechender Anteil des individuellen Familienbedarfs, bedarf es einer weiteren Absicherung in Höhe von 5–7 % des Familienselbstbehalts nicht mehr (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 05.02.2014 – XII ZB 25/13, DRsp-Nr. 2014/3779).
 
2. Nur bei einem unterhalb von 5–7 % des Familieneinkommens liegenden Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist auch ein ihm bis zu dieser Höhe zustehendes Taschengeld einzusetzen und demgemäß der insoweit bestehende Selbstbehalt zu beachten (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 05.02.2014 – XII ZB 25/13, DRsp-Nr. 2014/3779 und Urt. v. 12.12.2012 – XII ZR 43/11, DRsp-Nr. 2013/1392).
 
Deutlich weist der BGH also auf zwei vorausgehende höchstrichterliche Entscheidungen hin, deren Aussagen nun bestätigt werden.
 

Berechnung des Elternunterhalts bei Kindern ohne eigenes Einkommens

Der BGH (Urt. v. 12.12.2012 – XII ZR 43/11, DRsp-Nr. 2013/1392) hat bereits früher klargestellt, dass ein Kind ohne eigenes Einkommen zwar sein Taschengeld auch für den Elternunterhalt einsetzen muss, aber nicht in Höhe eines Betrags von 5–7 % des Mindestselbstbehalts des Unterhaltspflichtigen und in Höhe von etwa der Hälfte des darüber hinausgehenden Taschengeldes.
 

Berechnung des Elternunterhalts bei Kindern mit geringeren Einkünften als der Ehegatte

Für den Fall, dass das unterhaltspflichtige Kind zwar ein eigenes Einkommen hat, das aber geringer ist als das seines Ehegatten, hat der BGH festgelegt, dass auch dann die Leistungsfähigkeit des Kindes zur Zahlung von Elternunterhalt auf der Grundlage eines individuellen Familienbedarfs zu ermitteln ist (BGH, Beschl. v. 05.02.2014 – XII ZB 25/13, DRsp-Nr. 2014/3779).
 

Der aktuelle Elternunterhalts-Fall in der Vorinstanz

Das OLG hat beim aktuellen Elternunterhalts-Fall folgende Prämisse zugrunde gelegt: Der Unterhaltspflichtige behält von seinen Einkünften einen Betrag in Höhe von 5-7 % des Familienselbstbehalts zur persönlichen Verwendung, soweit seine Einkünfte die Verpflichtung übersteigen, zum Familienunterhalt beizutragen.

Von dem dann noch verbleibenden Einkommen ist laut OLG die Hälfte für den Elternunterhalt zu verwenden. Dies soll gewährleisten, dass dem unterhaltspflichtigen Kind neben seinem zweckgebundenen Beitrag zum Familienunterhalt aus seinem Einkommen ein Barbetrag zur Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse belassen wird.

Diese Berechnungsweise akzeptiert der BGH jedoch nicht.
 

Kein zusätzlicher Selbstbehalt

Zwar beanstandet der BGH die vom OLG vorgenommene Unterhaltsberechnung nicht, soweit es hierfür die vom BGH entwickelte Berechnungsmethode herangezogen hat. Denn durch diese Berechnungsmethode wird der individuelle Familienbedarf gebildet und darauf aufbauend die Leistungsfähigkeit ermittelt.

Der BGH stellt jedoch klar, dass entgegen der Auffassung des OLG dem Unterhaltspflichtigen kein zusätzlicher Selbstbehalt zu belassen ist.
 

Einwendungen gegen diese Berechnungsweise des Elternunterhalts

Unter Bezugnahme auf BGH (Beschl. v. 05.02.2014 – XII ZB 25/13, DRsp-Nr. 2014/3779) geht er auf die Kritik an seiner Berechnungsweise ein (siehe Schürmann, jurisPR-FamR 14/2014, Anm. 6).

Die Ermittlung des individuellen Familienbedarfs stellt sicher, dass der Elternunterhalt nur aus dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen gespeist wird.

Eine verdeckte Haftung des besser verdienenden Schwiegerkindes ist damit ausgeschlossen. Dem unterhaltspflichtigen Kind verbleibt der Anteil, den es zum Familienbedarf beizutragen hat. Nur sein darüber hinausgehendes Einkommen ist für den Elternunterhalt einzusetzen.

Rechtfertigung dieser Berechnungsmethode zur Ermittlung des Elternunterhalts

Mit dieser Berechnungsweise wird zudem der Haushaltsersparnis, die erfahrungsgemäß mit zunehmendem Einkommen steigt, hinreichend Rechnung getragen.

Zwar kann der dem unterhaltspflichtigen Kind zu belassende anteilige individuelle Familienbedarf durch dessen proportionale Anbindung an das Einkommen geringer sein als der Betrag, der einem alleinstehenden unterhaltspflichtigen Kind verbleiben müsste.

Dieses Ergebnis ist indes durch die zusätzliche Absicherung des unterhaltspflichtigen Kindes durch den Familienunterhalt gerechtfertigt (BGH, Beschl. v. 05.02.2014 – XII ZB 25/13, DRsp-Nr. 2014/3779).
 

Kein Bedarf für weitere Absicherung des unterhaltspflichtigen Kindes

Der BGH betont weiter, dass das unterhaltspflichtige Kind, dem von seinem Einkommen ein entsprechender Anteil des individuellen Familienbedarfs verbleibt, einer weiteren Absicherung in Höhe von 5–7 % des Familienselbstbehalts nicht mehr bedarf, weil damit auch die persönlichen Bedürfnisse abgedeckt sind.

Nur bei einem unterhalb von 5–7 % des Familieneinkommens liegenden Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist auch ein ihm bis zu dieser Höhe zustehendes Taschengeld einzusetzen und demgemäß der insoweit bestehende Selbstbehalt zu beachten (BGH, Beschl. v. 05.02.2014 – XII ZB 25/13, DRsp-Nr. 2014/3779 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 12.12.2012 – XII ZR 43/11, DRsp-Nr. 2013/1392 und Dose, FamRZ 2013, 993, 1000).
 

Berechnung des Elternunterhalts durch den BGH

Demnach erstellt der BGH die folgende Unterhaltsberechnung:

 
Einkommen des Kindes + 1.585,00 €
Einkommen des Ehegatten + 2.261,00 €
Familieneinkommen = 3.846,00 €
Abzüglich des damaligen Familienselbstbehalts − 2.700,00 €
Somit verbleiben = 1.146,00 €
Abzüglich von 10 % Haushaltsersparnis − 114,60 €
Zwischensumme = 1.031,40 €
Davon verbleibt die Hälfte × 0,5 = 515,70 €
Zuzüglich Familienselbstbehalt + 2.700,00 €
Individueller Familienbedarf = 3.215,70 €
Anteil des Kindes 1.325,00 €
Einkommen des Kindes 1.585,00 €
Abzüglich des Anteils des Kindes am individuellen Familienbedarf − 1.325,00 €
Für den Elternunterhalt einzusetzen = 260,00 €

 

Zusätzlicher Selbstbehalt beim OLG

Insoweit deckt sich die Berechnung des BGH mit der des OLG. Das OLG hat jedoch noch weitere Abzüge berücksichtigt, die der BGH nicht anerkennt:

 
Abzüglich von 5 % des Familienselbstbehalts (0,05 × 3.216 €) zur persönlichen Verwendung − 160,00 €
Restbetrag = 100,00 €
Nur zur Hälfte für den Unterhalt der Mutter zu verwenden × 0,5 = 50,00 €

 

 
Praxishinweis

Der BGH stellt klar, dass die dargestellte Berechnungsmethode für alle Fälle gleichermaßen gilt. Letztlich kommt es nicht darauf an, ob für den Elternunterhalt der Ehegatte mit dem geringeren oder der mit dem höheren Einkommen in Anspruch genommen werden soll. Stets wird zunächst das einzusetzende Einkommen ermittelt und dann – in einem zweiten Schritt – der Haftungsanteil des unterhaltspflichtigen Kindes, das lediglich mit seinem Anteil am Gesamteinkommen haftet (Seiler, FamRZ 2014, 636, 637).
 
Gegen diese Rechtsprechung wurde angeführt, dass die Berücksichtigung des bedürftigen Ehegatten beim Familienunterhalt eigentlich der Sicherung seines vorrangigen Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen diene. Stattdessen werde dieser Anspruch nunmehr wie ein selbst erwirtschaftetes, frei verfügbares Einkommen behandelt und zur Leistung des Elternunterhalts herangezogen. Damit reiche die Haftung weiter, als dies nach der „Hausmann-Rechtsprechung“ der Fall sei (Schürmann, jurisPR-FamR 14/2014, Anm. 6). Dieser Kritik in der Literatur erteilt der BGH eine Absage.

 
Autor: Weiterer Aufsicht führender Richter am AG Dr. Wolfram Viefhues, Oberhausen

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