Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe nach Schweigen bei der Bewilligungsprüfung

Schweigt der Antragsgegner bei der Prüfung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ohne triftigen Grund, so kann sein späterer Verfahrenskostenhilfeantrag als mutwillig zurückgewiesen werden.

Es besteht keine Einigkeit darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen das Schweigen des Antragsgegners bei der Prüfung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe über den Antrag des Antragstellers als mutwillig i.S.v. §§ 114 ZPO, 113 Abs. 1 FamFG zu beurteilen ist, wenn – nach Rechtshängigkeit – Verfahrenskostenhilfe für den Abweisungsantrag beantragt wird.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das OLG sieht es als mutwillig an, wenn es ein in Anspruch genommener Beteiligter ohne triftigen Grund unterlässt, in einer rechtzeitigen Stellungnahme Einwendungen geltend zu machen, durch die er ohne besonderen Aufwand seine gerichtliche Inanspruchnahme verhindern könnte.

Es ist selbstverständlich, dass sich eine Person, die sich zu Unrecht in Anspruch genommen fühlt, wehrt und den für unberechtigt gehaltenen Anspruch zurückweist. Dies gilt erst recht, wenn der Anspruchsteller zunächst um Verfahrenskostenhilfe nachsucht.

Daher bedarf es einer besonderen Rechtfertigung, wenn der in Anspruch Genommene von der ihm ausdrücklich nahegelegten Möglichkeit der Stellungnahme nicht zumindest in einer ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten ohne Auslösung wesentlicher Kosten möglichen und zumutbaren Weise Gebrauch macht. Ein Nichtreagieren kann jedoch als Mutwilligkeit gewertet werden.

Auch ein selbst zahlender Betroffener würde vernünftigerweise bereits in diesem Frühstadium entsprechend tätig werden, schon um das mit einer gerichtlichen Inanspruchnahme unabhängig vom Ausgang des Verfahrens stets verbundene Kostenrisiko zu vermeiden.

Unterlässt der in Anspruch Genommene dies ohne triftigen Grund, so stellt sich eine erst nach Rechtshängigkeit des Verfahrens erfolgte Geltendmachung der entsprechenden Einwendungen als verfahrenskostenrechtlich mutwillig dar.

Mutwilligkeit von Rechtsmitteln

Auch ein Rechtsmittel ist als prozesskostenhilferechtlich mutwillig zu bewerten, dessen Erfolgsaussicht auf Vorbringen beruht, das die Partei bereits in erster Instanz hätte vortragen können, dies dort aber sorgfaltswidrig unterlassen hat.

Zudem hat der Gesetzgeber durch § 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG deutlich gemacht, dass auch ein letztlich obsiegender Unterhaltsverpflichteter, der einer materiellrechtlichen Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht rechtzeitig und vollständig nachgekommen ist, mit den Verfahrenskosten zu belasten ist, auch wenn es sich dabei um ein Verhalten außerhalb eines bereits entstandenen Verfahrensrechtsverhältnisses handelt.

Da der Antragsteller unzweideutig einen materiellrechtlichen Anspruch auf Auskunft hat, oblag es der Antragsgegnerin, spätestens auf das ihr mit dem Verfahrenskostenhilfegesuch zugleich übermittelte Auskunftsverlangen hin vollständige Auskunft zu erteilen und jedenfalls innerhalb der ihr gesetzten (vor)verfahrensrechtlichen Stellungnahmefrist zu reagieren.

Das Nichtreagieren ist mutwillig, denn ihr war es unproblematisch und ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts möglich, die später zu ihrer Verteidigung vorgebrachten Gesichtspunkte zumindest ihrem Kern nach kurz anzugeben und die entsprechenden Unterlagen vorzulegen. Nachdem sie ihrer materiellrechtlichen Verpflichtung nicht nachgekommen ist, so sind ihr auch im Obsiegensfall die Verfahrenskosten aufzuerlegen, sodass aufgrund von Mutwilligkeit auch eine Verfahrenskostenhilfebewilligung durchgreifend ausgeschlossen ist.

 

Praxishinweis
Bei dem Streit über die Verfahrenskostenhilfe wird oft übersehen, dass die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe nicht davor schützt, bei einer Niederlage im Verfahren die Kosten des Gegners auferlegt zu bekommen. Nur wer ratenfreie Verfahrenskostenhilfe erhält, kann – mangels eigener Leistungsfähigkeit – vor einer Vollstreckung relativ sicher sein. Wer Verfahrenskostenhilfe nur gegen Raten bewilligt bekommt, muss dagegen bei einer Niederlage letztlich die Kosten des Verfahrens in voller Höhe zahlen – dies können im Unterhaltsverfahren mit einem erheblichen Streitwert und Anwälten auf beiden Seiten (Anwaltszwang!) recht hohe Beträge sein.

Aus Gründen der Fairness sollten Sie als Rechtsanwalt dem juristisch nicht bewanderten Mandanten diese Konsequenzen eines mutwilligen Schweigens vorher deutlich machen. Denn in der Bevölkerung wird „Verfahrenskostenhilfe“ bzw. „Prozesskostenhilfe“ vielfach mit „absolut kostenfrei“ und damit „ohne jedes Risiko“ gleichgesetzt.

 

OLG Celle, Beschl. v. 12.08.2011 – 10 WF 299/10

von Dr. Wolfram Viefhues, Oberhausen

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