PSG II – Pflegestärkungsgesetz 2: Was ändert sich?

Sie werden als Familienrechtsanwalt auch oft um Rat gefragt, wenn es um das PSG II bzw. Pflegestärkungsgesetz 2 geht? Dann haben wir hier den passenden Artikel für Sie: Eine Übersicht über die wichtigsten Änderungen rund um das Pflegestärkungsgesetz, den PSG II Gesetzestext sowie ein nützliches PDF als Download.

Hinweis: Klicken Sie hier, um die PDF-Version des Artikels „PSG II – Pflegestärkungsgesetz 2: Was ändert sich?“ aufzurufen.

Inhaltsübersicht:

  1. PSG II: Das zweite Pflegestärkungsgesetz ab 2016 bzw. ab 2017
  2. Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff – Pflegegrade – Begutachtungsassessment
  3. Zeitliche Wirksamkeit des PSG II: 2016, 2017 und 2018
  4. Pflegestärkungsgesetz 2: Kritik
  5. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff ab 01.01.2017
  6. Pflegegrade: Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad); Einführung des NBA als neues Begutachtungsinstrument
  7. Neues Einstufungssystem: Gesamtpunktbildung und Einordung in fünf Pflegegrade
  8. Anspruchsberechtigung und Leistungsbeträge
  9. Überleitungsregelungen und Bestandsschutz
  10. Anzuwendendes Recht und Überleitung in die Pflegegrade
  11. Übergangsregelungen im Begutachtungsverfahren
  12. Neugestaltung der sozialen Sicherung der Pflegeperson
  13. Weitere Neuerungen durch das PSG II
  14. Ausblick zum PSG II
  15. Begleitgesetze zum SGB XI

1. PSG II: Das zweite Pflegestärkungsgesetz ab 2016 bzw. ab 2017

20 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung ist das Pflegesystem mit dem PSG II umfassend modernisiert worden. Der Gesetzgeber sieht nach der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung die leistungsrechtlichen Neuregelungen im PSG II zusammen mit dem PNG und dem PSG I als eine konzeptionelle Einheit.

 

Mit diesem Gesetz wird vor allem an die kurzfristig wirksamen Leistungsverbesserungen und -flexibilisierungen durch das PflegeNeuausrichtungs-Gesetz sowie das Erste Pflegestärkungsgesetz (PSG I) und auch an die erweiterten Möglichkeiten zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf angeknüpft.

2. Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff – Pflegegrade – Begutachtungsassessment

Zentraler Punkt des PSG II ist die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs in § 14 SGB XI n.F. Die Regelung des § 15 SGB XI n.F. beschreibt die neuen Pflegegrade und das zur Ermittlung der Pflegegrade geschaffene Neue Begutachtungsassessment (NBA).

Für die neuen Pflegegrade werden mit § 36 SGB XI n.F. und § 43 SGB XI n.F. auch die Leistungsbeträge umgestellt. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und das Neue Begutachtungsassessment legen mit der neuen Einstufung der Pflegebedürftigen die Grundlage für die im PSG II vorgesehenen Leistungsverbesserungen und die flexiblere Ausgestaltung der Leistungsgewährung.

Es erhalten jetzt erstmals alle Pflegebedürftigen einen gleichberechtigten Zugang zu den Pflegeleistungen. Damit verbunden sind auch Änderungen im Vertrags- und Vergütungsrecht. Das PNG II sieht Neuregelungen im Bereich der Qualitätssicherung vor.

Die Pflegeberatung wird ausgeweitet und die Qualitätsanforderungen an die zusätzlichen Betreuungskräfte sind erhöht worden. Es soll auch die Zahl der Pflegekräfte aufgestockt werden.

Mit diesem Gesetz – und das ist sein Schwerpunkt – wird der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff in die Praxis umgesetzt.

3. Zeitliche Wirksamkeit des PSG II: 2016, 2017 und 2018

2016 als Vorbereitungsjahr: Die Umstellung auf das neue System mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sowie des damit untrennbar verbundenen neuen Begutachtungsverfahrens erfolgt in ihrem Kernbereich allerdings noch nicht zum 01.01.2016, sondern wird erst zum 01.01.2017 wirksam werden.

Gleiches gilt für die Umstellung der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung. Die Umsetzung wird sich insbesondere in den Bereichen der Qualitätsprüfungen im stationären und ambulanten Pflegebereich sogar bis ins Jahr 2018 hinziehen.

Das Jahr 2016 ist allerdings als Vorbereitungsjahr für die ab 01.01.2017 modifizierten Leistungsansprüche nach dem PSG II anzusehen. Als Vorschaltregelung zum PSG II hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG) mit Wirkung vom 25.07.2015 auch das SGB XI geändert und u.a. § 17a SGB XI („Vorbereitung der Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs“) eingefügt und § 18 SGB XI geändert.

Ziel dieses Gesetzes ist es, den Zeitplan und die rechtlichen Grundlagen u.a. für die Umsetzung der Neuerungen zur Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs (§ 17a SGB XI) und das Verfahren für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit (§ 18 SGB XI) vorzugeben.

Durch das PrävG erhält die Pflegeversicherung einen neuen Präventionsauftrag, um künftig auch Menschen mit gesundheitsfördernden Angeboten erreichen zu können.

Wichtiger Hinweis: Die am 01.01.2017 in Kraft tretenden Regelungen des PSG II dienen danach schon ab Januar 2016 als rechtliche Grundlage, um der Praxis einen entsprechenden, den Beiratsempfehlungen ausreichenden Vorbereitungszeitraum zu gewähren.

4. Pflegestärkungsgesetz 2: Kritik

Das PSG II bringt grundlegende Veränderungen und Verbesserungen im Pflegesystem für Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegekräfte. Aber auch für Beschäftigte in den Kommunen, bei den Pflegekassen und in der Wirtschaft kommt es zu Neuerungen. Das PSG II ist eine große planerische und organisatorische Herausforderung, die von vielen gemeinsam gemeistert werden muss.

Es ist ein Kraftakt, der 2017 in eine individuellere Begutachtung und passgenauere Pflegeleistungen mündet. Bevor das neue Begutachtungsinstrument und die neuen Pflegegrade ab 01.01.2017 zur Anwendung kommen können, sind im Jahr 2016 noch umfangreiche Vorarbeiten zu leisten. Die rechtlichen Grundlagen hierfür hat der Gesetzgeber mit dem ab 01.01.2016 wirksamen PSG II geschaffen.

So müssen u.a. auch die neuen Begutachtungsrichtlinien bis zum 25.04.2016 (§ 17a Abs. 1 Satz 5 SGB XI; hier: 25.07.2015 plus neun Monate) fertiggestellt und dem Bundesministerium für Gesundheit zur Genehmigung vorgelegt sein.

Die Genehmigung gilt sodann als erteilt, wenn das Bundesministerium für Gesundheit die Richtlinien nicht innerhalb von zwei Monaten, nachdem sie ihm vorgelegt worden sind, beanstandet (§ 17a Abs. 4 Satz 3 SGB XI).

Ebenso sind nach dem neu eingefügten § 7 Abs. 1a SGB XI für die einheitliche Durchführung der Pflegeberatung nach § 7a SGB XI die für die Pflegeberater und Pflegeberaterinnen der Pflegekassen, der Beratungsstellen sowie der Pflegestützpunkte die verbindlichen Pflegeberatungs-Richtlinien zu erlassen.

Mehr als 3.500 Gutachter der gesetzlichen und privaten Pflegeversicherungen müssen rechtzeitig, d.h. noch im Jahr 2016, geschult werden. Es müssen Qualitätssicherungsverfahren für die Begutachtung und die Beratung entwickelt werden. Der Personalbedarf in Pflegeeinrichtungen ist zu überprüfen und anzupassen.

Die Mitarbeiter in den Pflegeeinrichtungen müssen sich auf die Anforderungen in der Pflegeversicherung vorbereiten und müssen ggf. geschult werden. Die Pflegekassen und die privaten Pflegeversicherungen wie auch die Gutachter erhalten eine den Modifikationen angepasste neue Software.

Für die Pflegebedürftigen gibt es allerdings auch schon ab dem 01.01.2016 einige Verbesserungen:

  • Die Pflegebedürftigen und die Pflegepersonen haben einen eigenen Beratungsanspruch. Die Beratung wird durch feste, von der Pflegekasse zu benennende Ansprechpartner erbracht.
  • Bewohner in Pflegeheimen erhalten eine bessere ärztliche Versorgung, weil die Pflegeheime verpflichtet sind, mit niedergelassenen Hausärzten, Fachärzten und auch Zahnärzten Kooperationsvereinbarungen zu schließen.
  • Der Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen für Pflegebedürftige wird verbessert. Die Pflegekassen sind zur Erbringung von primärpräventiven Leistungen verpflichtet.
  • Patienten, die noch nicht auf Dauer, d.h. für mehr als sechs Monate, pflegebedürftig sind, können nach einer stationären Behandlung Übergangsgeld für häusliche Krankenhilfe, für eine Haushaltshilfe oder für eine Kurzzeitpflege erhalten.

5. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff ab 01.01.2017

Der derzeit noch maßgebliche Begriff der Pflegebedürftigkeit und das damit verbundene Begutachtungsinstrument waren seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 ständiger Kritik ausgesetzt, insbesondere weil unterstützungsbedürftige Personen mit somatischen, kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen vom Begriff der Pflegebedürftigkeit nicht erfasst und auch im Laufe der verschiedenen Reformen über §§ 45a, 45b, 124, 124 SGB XI von der Pflegeversicherung nur unzureichend erfasst waren und derzeit auch noch nicht berücksichtigt sind. Das soll sich mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und dem damit verbundenen neuen Begutachtungsverfahren ändern.

Der ab 01.01.2017 geltende neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und das damit korrespondierende Neue Begutachtungsassessment wurden in den letzten acht Jahren durch wissenschaftliche Studien und durch zwei Expertenbeiräte begleitet.

Die Entwicklung ist abgeschlossen und wird ab 01.01.2017 eingeführt. Maßstab soll nicht mehr der Hilfebedarf in Minuten, sondern die Selbständigkeit des pflegebedürftigen Menschen sein.

Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff geht daher von einer neuen Begutachtungsphilosophie aus. Das neue Verfahren stellt den Menschen,
seine individuellen Ressourcen und Fähigkeiten in den Mittelpunkt.

Es wird gefragt, wie seine Selbständigkeit erhalten und gestärkt werden kann und wobei er Hilfe und Unterstützung benötigt. Der Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung bei der Tagesgestaltung und Haushaltsführung sowie bei sozialen Kontakten und außerhäuslichen Aktivitäten werden im Begutachtungsverfahren festgestellt.

Als pflegebedürftig werden nach dem modifizierten § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB XI n.F. Personen definiert, die aufgrund gesundheitlich bedingter Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit oder ihrer Fähigkeiten nach Maßgabe der in § 14 Abs. 2 SGB XI n.F. abschließend festgelegten Kriterien in den Bereichen

  1. Mobilität,
  2. kognitive und kommunikative Fähigkeiten,
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen,
  4. Selbstversorgung,
  5. Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen,
  6. Gestaltung des Arbeitslebens und sozialer Kontakte

der Hilfe durch andere bedürfen.

Es sind nur solche Personen pflegebedürftig, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anstrengungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB XI n.F.).

Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 SGB XI n.F. festgelegten Schwere bestehen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 SGB XI n.F.).

Anders als in § 14 Abs. 1 und 2 SGB XI der derzeitigen und noch bis Ende 2016 geltenden Fassung ist die bisherige Form der Hilfeleistung, die auf den Zeitaufwand der unmittelbaren teilweisen oder sogar vollständigen Erledigung für den Pflegebedürftigen im Sinne einer Kompensation, der Anleitung, der Beaufsichtigung, quasi „des Handanlegens“ bei den typischen Alltagsverrichtungen im Bereich der Grundpflege, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung abstellt, nicht mehr Bestandteil der Definition des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs.

Derzeit werden somit Pflegebedürftige mit vorrangig körperlichen Beeinträchtigungen nach dem noch bis Ende 2016 praktizierten Begutachtungsinstrument tendenziell begünstigt. So erreichen sie im Durchschnitt höhere Pflegestufen als Personen mit somatischen, kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen und haben damit häufig höhere Leistungsansprüche.

Nach der Rechtsprechung des BSG zur derzeitigen Rechtslage ist ein Beaufsichtigungs-/Betreuungsbedarf bei den in § 14 Abs. 4 SGB XI abschließend aufgeführten Verrichtungen im Bereich der Grundpflege nur dann berücksichtigungsfähig, wenn die Pflegeperson zeitlich und örtlich gebunden ist (BSG, Urt. v. 08.05.2001 – B 3 P 4/01 B).

Zukünftig wird eine umfassende, ressourcenorientierte und pflegefachlich fundierte Erfassung des Grades der Selbständigkeit aller Pflegebedürftigen erfolgen, unabhängig davon, ob sie vorrangig körperlich, kognitiv oder psychisch beeinträchtigt sind.

Damit wird zum einen bewirkt, dass die pflegerische Versorgung auf dem aktuellen Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse ressourcenorientiert ausgerichtet werden kann. Zum anderen erfolgt eine Gleichbehandlung körperlicher, kognitiver und psychischer Beeinträchtigungen und Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten bei der Einstufung in einen Pflegegrad und der davon abhängigen Höhe des Leistungsanspruchs.

Die Hilfeleistung wird durch das Leistungsrecht der Pflegeversicherung definiert. In den Bereichen/Modulen 2, 3, 5 und 6 des § 14 Abs. 2 SGB XI n.F. werden jetzt auch Kriterien berücksichtigt, die einen Hilfebedarf im Bereich der Anleitung, Motivation und Schulung erforderlich machen, um die Selbständigkeit und die Fähigkeiten des Pflegebedürftigen zu stärken.

Durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff besteht eine Gleichbehandlung aller Beeinträchtigungen. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff umfasst danach gleichermaßen die Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten vorrangig somatisch beeinträchtigter Pflegebedürftiger ebenso wie vorrangig kognitiv und psychisch beeinträchtigter Menschen.

Maßgeblich ist die Abhängigkeit von personaler Hilfe in allen pflegerelevanten Bereichen des § 14 Abs. 2 SGB XI n.F. Der tatsächliche Unterstützungsbedarf wird umfassender als bisher erfasst.

Es wird gefragt, was kann jemand noch selbst oder wo ist Unterstützung erforderlich. Durch die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sind bisher nicht vom Begriff der Pflegebedürftigkeit umfasste und getrennt zu beurteilende und festzustellende Aspekte der eingeschränkten Alltagskompetenz nach dem bisherigen § 45a SGB XI ab 31.12.2016 nicht mehr zu erheben.

Ebenso fallen die sogenannten Härtefallregelungen in den bisherigen §§ 36 Abs. 4, 43 Abs. 3 SGB XI und die dazu ergangenen Härtefall-Richtlinien weg. So werden die entsprechende Beeinträchtigung der Selbständigkeit auch in den Bereichen kognitive und kommunikative Fähigkeiten (§ 14 Abs. 2 Bereich 2 SGB XI n.F.) sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (§ 14 Abs. 2 Bereich 3 SGB XI n.F.) berücksichtigt.

Diese bereits bei der Begutachtung einheitlich beurteilten Bereiche wirken sich entsprechend auf den Leistungsbezug aus.

6. Pflegegrade: Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad); Einführung des NBA als neues Begutachtungsinstrument

Pflegebedürftige i.S.d. § 14 Abs. 1 SGB XI n.F. erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad) (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI n.F.).

Korrespondierend zu § 14 SGB XI n.F. wird nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB XI n.F. der Pflegegrad mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments – Neues Begutachtungsassessment (NBA) – ermittelt.

Das NBA umfasst die in § 14 Abs. 2 SGB XI n.F. genannten sechs Bereiche (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 SGB XI n.F.). Die in diesen Bereichen umfassend und detailliert aufgeführten Kriterien beinhalten – ebenso wie die derzeit in § 14 SGB XI aufgeführten Verrichtungen – aus Gründen der Rechtssicherheit einen abschließenden Katalog.

Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und das NBA stehen in einem untrennbaren fachlichen Zusammenhang. Entsprechend den sechs Bereichen in § 14 Abs. 2 SGB XI n.F. umfasst die neue Begutachtung sechs Module. Die modulare Struktur des NBA erlaubt eine zusammenfassende Betrachtung einzelner Lebensbereiche des Pflegebedürftigen.

Die wichtigsten Elemente des im Gesetz und in der hierzu ergangenen Anlage 1 zu § 15 SGB XI n.F. rechtssicher beschriebenen NBA sind:

  • der abschließende Katalog der sechs Bereiche (Modul 1–6) und der Kriterien für das Vorliegen der Pflegebedürftigkeit;
  • die unterschiedliche prozentuale Gewichtung der einzelnen Bereiche;
  • die Festlegung von Einzelpunkten und die Summe der je nach Modul verschieden gewichteten Punkte;
  • Schwellenwerte für die Zuordnung zu einem Pflegegrad;
  • Sonderregelungen für Kinder bis zum achtzehnten Monat;
  • Beschreibung besonderer Bedarfskonstellationen.

Das Gesetz differenziert nach dem Schweregrad der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 3 SGB XI n.F.).

Danach wird jedem Modul nach der Anlage 2 zu § 15 SGB XI n.F. („Bewertungssystematik [Summe der Punkte und gewichtete Punkte]“) ein Punktbereich zugeordnet, der wie folgt bezeichnet ist (§ 15 Abs. 2 Satz 6 SGB XI n.F.):

Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten

 

Die bei der Begutachtung festgestellte Gesamtzahl der Einzelpunkte der jeweiligen Module wird nach der Schwere differenziert und begrifflich den einzelnen Kategorien zugeordnet (§ 15 Abs. 3 Satz 1 SGB XI n.F.).

Die Module werden im Hinblick auf das Gesamtergebnis wie folgt unterschiedlich gewichtet (§ 15 Abs. 2 Satz 7 SGB XI n.F.):

  • Den Kriterien im Bereich der „Selbstversorgung“ (§ 14 Abs. 2 Nr. 4 SGB XI n.F.) wird mit 40 % das höchste Gewicht beigemessen.
  • Die Kriterien im Bereich „Behandlung/Therapie“ (§ 14 Abs. 2 Nr. 5 SGB XI n.F.) bewertet der Gesetzgeber mit 20 %.
  • Mit jeweils 15 % werden die Kriterien im Bereich „kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI n.F.) und im Bereich „Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“ (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 SGB XI n.F.) gewichtet.
  • Schließlich bewertet der Gesetzgeber die Kriterien im Bereich „Mobilität“ (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI n.F.) mit 10 %.

Die unterschiedliche Gewichtung der sechs Bereiche wird durch nachfolgende Grafik ¹) verdeutlicht:

Gewichtung Module Pflegegrade

Wie bisher werden für die Begutachtung die neuen, noch bis zum 25.04.2016 fertigzustellenden Beurteilungs-Richtlinien maßgeblich sein. An die in den neuen Beurteilungs-Richtlinien im Einzelnen konkretisierten Kriterien sind dann die Gutachter des MDK, der MEDICPROOF und die unabhängigen Gutachter gebunden.

Wichtiger Hinweis: Allerdings – und das darf man nicht aus den Augen verlieren – sind bis zum 31.12.2016 der aktuelle Pflegebegriff und die hierzu ergangenen Beurteilungs-Richtlinien maßgeblich – sicherlich ein Gesichtspunkt, der bei der Antragstellung entweder noch in 2016 oder doch erst in 2017 Anlass zum Taktieren bietet.

Nach dem NBA sollen auch Feststellungen über die Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten in den Bereichen außerhäusliche Aktivitäten und Haushaltsführung getroffen werden (vgl. § 18 Abs. 5a SGB XI n.F.).

Der aktivierenden Pflege ist ein besonderes Gewicht beizumessen. Das NBA wird auch klären, inwieweit im Einzelfall Präventions- und Rehabilitationsbedarf besteht.

Das NBA gibt wegen des Begutachtungsspektrums auch eine verbesserte Grundlage für die Versorgungsberatung und -planung und bietet im Weiteren auch eine pflegefachliche Grundlage für die Qualitätssicherung und Qualitätsplanung. Die Effizienz der Pflegedokumentation wird erhöht.

Ab dem Stichtag 01.01.2017 wird es dann nur noch ein fachlich gesichertes individuelles Feststellungsverfahren für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit nach dem NBA geben.

Wichtiger Hinweis: Nach § 18 Abs. 6a Satz 2 SGB XI n.F. gelten die Empfehlungen der Gutachter des MDK oder der von der Pflegekasse beauftragten Gutachter zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung mit Zustimmung des Pflegebedürftigen als Leistungsantrag. Diese Regelung dient der Entbürokratisierung und wird das Verfahren beschleunigen. Die Vorschrift kann sich nur auf die Pflegehilfsmittel und die doppelfunktionalen Hilfsmittel beziehen (vgl. hierzu § 45 Abs. 5 SGB XI).

7. Neues Einstufungssystem: Gesamtpunktbildung und Einordung in fünf Pflegegrade

Das bisherige und bis 31.12.2016 noch umzusetzende Einstufungssystem nach § 15 SGB XI mit den drei Pflegestufen

  • erheblich pflegebedürftig = Pflegestufe I
  • schwer pflegebedürftig = Pflegestufe II
  • schwerstpflegebedürftig = Pflegestufe III
  • schwerstpflegebedürftig + Härtefall = sog. Pflegestufe IV

und die nach §§ 45a, 45b SGB XI gesonderte Feststellung, ob eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz vorliegt, wird ab 01.01.2017 durch ein völlig neues Einstufungssystem mit fünf Pflegegraden ersetzt.

Aus der gewichteten Gesamtzahl der Punkte aller Module sind zunächst durch Addition die Punkte für das Gesamtergebnis zu bilden (§ 15 Abs. 3 Satz 3 SGB XI n.F.).

Diese nach § 15 Abs. 3 SGB XI n.F. durch das NBA ermittelten Gesamtpunkte sind somit maßgeblich für die Zuordnung der Pflegegrade. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte ist die pflegebedürftige Person in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen (§ 15 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1–5 SGB XI n.F.):

Gesamtpunkte Pflegegrad Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte in den Pflegegrad 1: geringe
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte in den Pflegegrad 2: erhebliche
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte in den Pflegegrad 3: schwere
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkte in den Pflegegrad 4: schwerste
ab 90 bis 100 Gesamtpunkte in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung

 
Besteht eine besondere Bedarfskonstellation, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweist, kann aus pflegerischen Gründen auch bei einer Gesamtpunktzahl von unter 90 gleichwohl eine Zuordnung zum Pflegegrad 5 möglich sein (§ 15 Abs. 4 SGB XI n.F.).

Bei pflegebedürftigen Kindern hat – wie bisher – nach § 15 Abs. 6 SGB XI n.F. ein Vergleich mit altersentsprechend entwickelten Kindern zu erfolgen.

Bei Kindern unter 18 Monaten sieht § 15 Abs. 7 SGB XI n.F. eine abweichende Einordnung in die Pflegegrade vor.

8. Anspruchsberechtigung und Leistungsbeträge

In Pflegegrad 1 werden Menschen eingestuft, die noch keinen erheblichen Unterstützungsbedarf haben. Diese leben weitgehend zuhause. Sie erhalten zur Sicherstellung der häuslichen Versorgungssituation

  • Pflegeberatung,
  • Beratung in der eigenen Häuslichkeit,
  • zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten
    Wohngruppen einschließlich der Anschubfinanzierung zu deren
    Gründung,
  • Versorgung mit Pflegehilfsmitteln,
  • finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen oder gemeinsamen Wohnumfelds,
  • zusätzliche Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen,
  • Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen.

Soweit Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 vollstationäre Hilfe in Anspruch nehmen, wird ihnen nach § 43 Abs. 3 SGB XI n.F. ein monatlicher Zuschuss i.H.v. 125 € gewährt.

Die Pflegeversicherung zahlt bei Hilfe- und Unterstützungsbedarf im somatischen Bereich nach Maßgabe des § 45b Abs. 1 Satz 1 SGB XI n.F. einen Entlastungsbetrag i.H.v. 125 € monatlich.

Im Übrigen sind anspruchsberechtigt für Pflegesachleistungen, für Pflegegeld, für Leistungen bei Verhinderungspflege, für Leistungen bei Tages- und Nachtpflege und für Leistungen bei Kurzzeitpflege Pflegebedürftige ab dem Pflegegrad 2.

Häusliche Pflegehilfe: Nach § 36 SGB XI n.F. haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2–5 bei häuslicher Pflege jetzt auch Anspruch auf pflegerische Betreuungsmaßnahmen. Der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe beträgt nach § 36 Abs. 3 SGB XI n.F. je Kalendermonat für Pflegebedürftige

  • des Pflegegrades 2: Leistungen bis zu einem Gesamtwert von 689 €
  • des Pflegegrades 3: Leistungen bis zu einem Gesamtwert von 1.298 €
  • des Pflegegrades 4: Leistungen bis zu einem Gesamtwert von 1.612 €
  • des Pflegegrades 5: Leistungen bis zu einem Gesamtwert von 1.995 €

Pflegegeld: Pflegebedürftige der Pflegegrade 2–5, die ihre Pflege selbst sicherstellen, können nach § 37 SGB XI n.F. Pflegegeld beantragen. Dieses beträgt je Kalendermonat für Pflegebedürftige

  • des Pflegegrades 2: 316 €
  • des Pflegegrades 3: 545 €
  • des Pflegegrades 4: 728 €
  • des Pflegegrades 5: 901 €

Wie bisher können Pflegebedürftige der Pflegegrade 2–5 nach § 38 SGB XI n.F. die Pflegesachleistungen mit dem Pflegegeld kombinieren.

Ambulante Wohngruppen: Die Anspruchsberechtigung für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2–5 auf zusätzliche Leistungen in ambulanten Wohngruppen nach § 38a SGB XI n.F. sind modifiziert und die Leistungen von 205 € auf 214 € angehoben worden.

Teilstationäre Pflege und Kurzzeitpflege: Die Leistungen für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2–5 bei teilstationärer Pflege nach § 41 SGB XI n.F. und für die Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI n.F. wurden ebenfalls erhöht.

Vollstationäre Pflege: Auch die Leistungen für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2–5 bei vollstationärer Pflege nach § 43 SGB XI n.F. hat der Gesetzgeber angehoben. Sie betragen nach Abs. 2 Satz 1 und 2 jetzt je Kalendermonat für Pflegebedürftige

  • des Pflegegrades 2: 770 €
  • des Pflegegrades 3: 1.262 €
  • des Pflegegrades 4: 1.775 €
  • des Pflegegrades 5: 2.005 €

Wie auch bei der teilstationären Pflege übernimmt die Pflegekasse jetzt auch die Aufwendungen für die pflegerische Betreuung (bisher nur für die soziale Betreuung).

Damit wird der Hilfebedarf von Menschen mit Einschränkungen ihrer kognitiven Fähigkeiten berücksichtigt. Anders als bisher ist in der vollstationären Pflege der Eigenanteil der betroffenen Pflegebedürftigen in jedem der Pflegegrade gleich hoch.

Ein Pflegeheimbewohner mit dem Pflegegrad 2 bezahlt genauso viel dazu wie der Heimbewohner mit dem Pflegegrad 5. Man spricht insoweit von dem sogenannten einrichtungseinheitlichen Eigenanteil; dieser kann aber je nach Einrichtung verschieden sein.

Der pflegebedingte Eigenanteil liegt bei etwa 580 €. Hinzu kommen die Kosten für Verpflegung, Unterkunft und Investitionen. § 141 Abs. 2 SGB XI n.F. enthält Übergangsregelungen für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen.

Der Eindruck „alle zahlen jetzt weniger“ trügt. Es kommt auf den Einzelfall an. Wer vor 2017 der Pflegestufe I angehörte und in der Alltagskompetenz eingeschränkt war, zahlt statt bisher 1.534 € nunmehr 1.805 €.

Wichtiger Hinweis: Eine Höherstufung im Pflegegrad führt jetzt nicht mehr zu einer Erhöhung des Eigenanteils. Dies wird auch zur Folge haben, dass die Bewohner des Pflegeheims ab 2017 eher nicht zu einem Antrag auf Höherstufung gedrängt werden. Die damit einhergehende Konfliktsituation mit den Folgen des § 87a Abs. 2 Satz 3 SGG wird entschärft.

Dennoch wird weiterhin ein Interesse der Einrichtung daran bestehen, möglichst viele Bewohner mit einem hohen Pflegegrad zu betreuen. Die Leistungsbeträge bei vollstationärer Pflege liegen zwischen Pflegegrad 2 und Pflegegrad 5 weit auseinander.

Andererseits ist aber auch zu bedenken, dass der Eigenanteil in den niedrigen Pflegegraden höher als vorher ist. Hingegen wirkt sich der einheitliche Eigenanteil bei hohen Pflegegraden günstig für die betroffenen Pflegeheimbewohner aus.

Die angesprochenen Änderungen durch das PSG II wirken sich auch auf die Finanzierung und Kalkulation der Pflegeeinrichtungen aus, weil sich die Pflegesatzkalkulation anders gestaltet und die Einrichtungen bis Ende September 2016 neue Pflegesatzvereinbarungen abzuschließen haben.

Im Hinblick auf den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil der Bewohner wird es bei der Kalkulation auf die Zusammensetzung der Bewohner, also den „richtigen Bewohnermix“, ankommen.

9. Überleitungsregelungen und Bestandsschutz

Bestands- und Vertrauensschutz: Das SGB XI regelt in den neu eingefügten §§ 140, 141 und 142 SGB XI n.F., welchem Pflegegrad die Leistungsberechtigten zugeordnet werden, bei denen bereits am 31.12.2016 eine Pflegestufe festgestellt worden ist.

Der Gesetzgeber hat sich hier für ein standardisiertes Verfahren entschieden. Das ist sachgerecht. Auf diese Weise wird im Jahr 2017 eine Flut neuer Antrags- und Überprüfungsverfahren vermieden, die regelmäßig ein Begutachtungsverfahren erforderlich machen.

Damit besteht für die Pflegebedürftigen weitgehend Bestands- und Vertrauensschutz.

10. Anzuwendendes Recht und Überleitung in die Pflegegrade

Nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB XI n.F. erfolgt die Feststellung des Vorliegens von Pflegebedürftigkeit oder einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung jeweils auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechts.

Der Erwerb einer Anspruchsberechtigung auf Leistungen der Pflegeversicherung richtet sich ebenfalls nach dem zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Recht (§ 140 Abs. 1 Satz 2 SGB XI n.F.).

Für den Zeitpunkt der Antragstellung kommt es auf den Eingang des Antrags bei der Pflegekasse an. Ohne erneute Begutachtung werden diese Pflegebedürftigen mit Wirkung ab 01.01.2017 pauschal in die Pflegegrade übergeleitet.

Dabei ist maßgeblich, ob zu diesem Zeitpunkt zusätzlich zur Pflegestufe bereits eine Einschränkung der Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI bestand.

Pflegestufe am 31.12.2016 ohne Einschränkung der Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI Pflegegrad ab dem 01.01.2017
Pflegestufe 0 Pflegegrad 2
Pflegestufe I Pflegegrad 2
Pflegestufe II Pflegegrad 3
Pflegestufe III Pflegegrad 4
Pflegestufe III + Härtefall nach § 36 Abs. 4 SGB XI/§ 43 Abs. 3 SGB XI Pflegegrad 5

 

Pflegebedürftige, bei denen am 31.12.2016 eine Einschränkung der Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI bestand Pflegegrad ab dem 01.01.2017
Pflegestufe 0 Pflegegrad 2
Pflegestufe I Pflegegrad 3
Pflegestufe II Pflegegrad 4
Pflegestufe III Pflegegrad 5
Pflegestufe III + Härtefall nach § 36 Abs. 4 SGB XI/§ 43 Abs. 3 SGB XI Pflegegrad 5

 
Im Übrigen enthält § 141 SGB XI n.F. umfassende Bestandsschutzregelungen hinsichtlich

  • der Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI,
  • des Pflegegeldes für selbstbeschaffte Pflegehilfe nach § 37 SGB XI,
  • der Kombinationsleistungen nach § 38 SGB XI,
  • der zusätzlichen Leistungen für Pflegebedürftige in ambulanten
    Wohngruppen nach § 38a SGB XI,
  • der Kostenerstattung i.H.v. 40 € für Hilfsmittel nach § 40 Abs. 2
    SGB XI,
  • der Leistungen für Tages- und Nachtpflege nach § 41 SGB XI,
  • der Leistungen bei Pflegezeit/kurzfristige Arbeitsverhinderung,
  • der zusätzlichen Betreuungsleistungen nach §§ 45b, 123, 124 SGB XI.

Das Gesetz sieht im Weiteren vor

  • in § 141 Abs. 1 SGB XI n.F.: Übergangsregelungen für Pflegebedürftige mit eingeschränkter Alltagskompetenz nach § 45b SGB XI,
  • in § 141 Abs. 2 SGB XI n.F.: Übergangsregelungen für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen,
  • in § 141 Abs. 4–7 SGB XI n.F.: Übergangsregelungen für renten- und unfallversicherungspflichtige Pflegepersonen.

11. Übergangsregelungen im Begutachtungsverfahren

Für das Begutachtungsverfahren enthält § 142 SGB XI n.F. eine Überleitungsregelung. Danach wird die Wiederholungsbegutachtung nach § 18 Abs. 2 Satz 5 SGB XI für zwei Jahre ausgeschlossen.

Durch diese Regelung wird für die betroffenen Pflegebedürftigen Rechtssicherheit und Verlässlichkeit geschaffen. Diese Überleitung, die natürlich nur bestehende Leistungsfälle betrifft, ist pflegefachlich nicht begründet. Sie ist politisch gesetzt. Es wird sich wohl niemand beschweren.

Wichtiger Hinweis: Die Überleitungsregelung zur Wiederholungsbegutachtung dürfte für diejenigen Pflegebedürftigen interessant sein, die noch im Jahr 2016 das Pflegegeld lediglich befristet erhalten, die Pflegekasse ohne gesonderten Antrag aber eine nahtlose Leistungsgewährung sicherzustellen hat (§ 33 Abs. 2 SGB XI).

12. Neugestaltung der sozialen Sicherung der Pflegeperson

Pflegepersonen i.S.d. § 19 SGB XI werden in der Rentenversicherung und – das ist neu – der Arbeitslosenversicherung besser als bisher abgesichert, wenn sie Pflegebedürftige mit einem Pflegegrad von 2–5 mindestens zehn Stunden in der Woche, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tagen in der Woche, zu Hause pflegen.

Diese Voraussetzungen können auch durch die Pflege mehrerer Pflegebedürftiger mit mindestens Pflegegrad 2 erfüllt werden. Die verbesserte Absicherung von Pflegepersonen dient arbeitsmarktpolitischen Interessen.

13. Weitere Neuerungen durch das PSG II

1.

Das PSG II enthält Neuregelungen zur Verbesserung der Beratung. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen erlässt zur einheitlichen Durchführung der Pflegeberatung nach § 7 SGB XI n.F. die für Pflegeberater und Pflegeberaterinnen der Pflegekassen, der Beratungsstellen nach § 7b SGB XI n.F. sowie für Pflegestützpunkte nach § 7c SGB XI n.F. verbindliche Pflegeberatungs-Richtlinien als Mindestvorgabe. Die Aufgaben und Verpflichtungen an die Auskunft und die Beratung sind stringenter gefasst.

2.

Zur qualitativen und quantitativen Personalbemessung in stationären und ambulanten Einrichtungen wird bis zum 30.06.2020 ein Verfahren zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen erarbeitet und erprobt.

3.

Im Bereich der Qualitätssicherung, Qualitätsmessung und Qualitätsdarstellung werden die Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege neu strukturiert. Unter anderem wird die bisherige Schiedsstelle für die Pflegeversicherung in einen entscheidungsfähigen Qualitätsausschuss mit eingebautem Konfliktlösungsmechanismus umgestaltet (§ 113b SGB XI n.F.).

Die Qualitätsprüfungen im ambulanten und stationären Bereich werden neu gestaltet. Bis zum 31.10.2017 sind für den stationären Bereich und bis zum 31.10.2018 für den ambulanten Bereich die neuen Qualitäts-Prüfungsrichtlinien zu erstellen. Aktuell hat der sogenannte Pflege-TÜV an Bedeutung verloren.

4.

Im Hinblick auf die Finanzentwicklung in der Pflegeversicherung wird der Beitragssatz zum 01.01.2017 um 0,2 % auf 2,55 % erhöht.

Seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 hat sich danach der Beitragssatz von 1,0 % – 1996 auf 1,7 %, 2008 auf 1,95 %, 2003 auf 2,05 %, 2015 auf 2,35 % und jetzt auf 2,55 % – um mehr als das Doppelte erhöht.

Der Beitragssatz soll bis zum Jahr 2022 nicht weiter erhöht werden. Allerdings ist nach einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP) im Jahr 2060 mit einem Beitragssatz von 5,5 % zu rechnen.

Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung der Rentner beträgt jetzt auch 2,55 %. Die Beiträge trägt der Rentner in voller Höhe allein. Auch freiwillig oder privat krankenversicherte Rentner zahlen den Beitrag zur Pflegeversicherung selbst. Beihilfeberechtigte Personen (Beamte) zahlen nur den halben Beitragssatz von 1,175 %.

Kinderlose Rentner, die nach 1939 geboren sind und das 23. Lebensjahr bereits vollendet haben, zahlen außerdem einen Beitragszuschlag von 0,25 %. Für sie beträgt der Beitragssatz jetzt somit 2,8 % oder bei bestehender Beihilfeberechtigung 1,4 %. Als Kinder zählen leibliche Kinder sowie Adoptiv-, Stief- oder Pflegekinder.

14. Ausblick zum PSG II

Ob der Gesetzgeber mit der Umstellung der Pflegeversicherung, die sich ab Januar 2016 über mehrere Jahre bis ins Jahr 2020 hinziehen wird, die prognostizierten demographischen Herausforderungen bewältigen wird, bleibt abzuwarten.

Die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, die Überführung des alten Systems mit den drei Pflegestufen in das neue mit den fünf Pflegegraden, die Anwendung der Übergangs- und Bestandsschutzregelungen und die sich ändernden Pflegesatzkalkulationen der Einrichtung bei gleichbleibendem Eigenanteil der Pflegebedürftigen bietet erhebliches Konfliktpotential.

Auch bleibt abzuwarten, ob die Pflegeeinrichtungen ihre Pflegesatzvereinbarungen in der knapp bemessenden Zeit bis zum 30.09.2016 flächendeckend umgesetzt haben werden.

15. Begleitgesetze zum SGB XI

Zum SGB XI gibt es zwischenzeitlich mit dem Familienpflegezeitgesetz (FPfZG), dem Krankenhausstrukturgesetz und dem Hospizund Palliativgesetz verschiedene Begleitgesetze.

Es werden in der Privatversicherung Zusatzversicherungen, auch i.V.m. dem Pflege-Bahr, angeboten. Zwischenzeitlich liegt auch ein Entwurf des Pflegeberufsgesetzes vor, mit dem der Gesetzgeber die Pflegeausbildung reformieren möchte.

Der Referentenentwurf des Pflegeberufsgesetzes beinhaltet

  • eine neue generalistische berufliche Pflegeausbildung mit einem einheitlichen Berufsabschluss,
  • eine einheitliche Finanzierung mit Schulgeldfreiheit und Ausbildungsvergütung und
  • die erstmalige Einführung eines Pflegestudiums als Ergänzung zur beruflichen Pflegeausbildung.

Pflegestärkungsgesetz II: PDF Downloads

Hier klicken und kompletten Artikel „PSG II – Pflegestärkungsgesetz 2: Was ändert sich?“ als PDF aufrufen.

Und über diesen Link rufen sie den PSG II Gesetzestext auf: BT-Drucksache 18/ 6688 vom 11.11.2015.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert