Umgang: BFH sieht in Umgangskosten keine außergewöhnliche Belastung

Der Umgang erfolgt in der Regel auf Kosten des umgangsberechtigten Elternteils. Wenn die Eltern weit auseinander wohnen, gehören teure Reisen dazu. Können Ihre Mandanten die Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung von der Steuer absetzen? Der Bundesfinanzhof sagt mal wieder „nein“. Dennoch können Sie Ihre Mandanten auf einige Ausnahmeregelungen hinweisen.

Ein Dauerthema: Der Umgang und die Kosten

Der Umgang sorgt bei Steuerzahlern immer wieder für Streit mit dem Finanzamt. Das lässt sich aus der Vielzahl der Entscheidungen ablesen, die der BFH zu diesem Thema erlassen hat.

Die schlechte Nachricht: Der Bundesfinanzhof entscheidet auch in seinem neuesten Urteil zum Umgangsrecht gegen die Umgangsberechtigten. Wer seiner Umgangspflicht nachkommt, kann die dafür anfallenden Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung geltend machen.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Aufwendungen nur dann außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen.

 

Die Kosten, die ein umgangsberechtigter Elternteil für Wochenendfahrten zu einem von ihm getrennt lebenden Kind trägt, gehören aber zu den typischen Aufwendungen der Lebensführung – ungeachtet ihrer Höhe im Einzelfall.

Diese typischen Aufwendungen der Lebensführung werden bereits in zweierlei Hinsicht steuerlich berücksichtigt:

  1. Durch den Grundfreibetrag, der in der Höhe des Existenzminimums liegt.
  2. Bei Familien darüber hinaus durch die Regelungen des Familienleistungsausgleichs (Steuerfreibeträge oder alternativ Kindergeld).

Damit sind in der Regel alle Kosten abgegolten, die bei der Erfüllung der elterlichen Umgangspflicht typischerweise anfallen.

Das aktuelle BFH-Urteil: Umgangskosten sind zwangsläufig – und damit typisch

In einem neueren Urteil ergänzt der BFH seine bisherigen Ausführungen zum Thema Umgangskosten: Fahrtkosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bzw. der Umgangspflicht sind demnach zwangsläufig.

Denn Vater und Mutter haben die Pflicht, Kontakt zu ihrem Kind zu halten – dies haben die letzten zivilrechtlichen Änderungen zum Umgang ausdrücklich geregelt. Die Aufwendungen für den Umgang sind deshalb eindeutig den typischen Kosten der Lebensführung zuzuordnen.

Der BFH führt weiter aus: Recht und Pflicht zum Umgang mit dem eigenen Nachwuchs bestehen auch bei intakten Ehen. Und auch dort ist eine räumliche Trennung zwischen Eltern und Kindern alltäglich, wenn zum Beispiel

  • Kinder eine Schule im Ausland besuchen,
  • auswärtig eine Berufsausbildung machen,
  • in einem Heim, einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung untergebracht sind oder
  • im Rahmen eines Schüleraustauschs längere Zeit im Ausland leben.

Kosten für Umgang: Unterschied zwischen Steuer- und Sozialhilferecht

Ein Verweis auf das Sozialhilferecht nützt den Umgangsberechtigten in steuerlicher Hinsicht nichts. Richtig ist zwar, dass die Umgangskosten nach dem Sozialgesetz statt zum Regelbedarf zum Mehrbedarf gehören. Nach Ansicht des BFH ist ein Gleichklang von Steuer- und Sozialhilferecht aber nicht notwendig.

Denn – anders als das Sozialhilferecht – stellt das Steuerrecht in verfassungsrechtlich zulässiger Weise oftmals nicht auf den Einzelfall ab. Es versucht vielmehr pauschalierende Regelungen zu finden, die für eine möglichst große Gruppe von Steuerpflichtigen angemessen sind.

Auf solche generalisierenden Regelungen kann bei der Ordnung von Massenerscheinungen (wie z.B. der Regelung des Umgangs) umso weniger verzichtet werden, als die Berücksichtigung jedes Einzelfalls mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist.

Die typisierende Abgeltungswirkung von Grund- und Kinderfreibeträgen ist deshalb gerechtfertigt, so der BFH resümierend.

Umgangskosten steuerlich abziehen: Die Ausnahmeregeln

Nach derzeitiger Rechtslage haben Ihre Mandanten allerdings in folgenden Ausnamesituationen die Möglichkeit, die Aufwendungen für den Umgang steuerlich abzuziehen:

1.) Krankheit eines Kindes:

Aufwendungen für Besuchsfahrten zum Kind können abgezogen werden, wenn die Besuche ausschließlich zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit oder eines Leidens unternommen werden. Gleiches gilt, wenn die Besuche den Zweck verfolgen, die Krankheit oder das Leiden erträglicher zu machen. Es reicht jedoch nicht aus, wenn die Eltern nach einer Trennung Anpassungsstörungen vorbeugen wollen.

2.) Pflege:

Besuchsfahrten zur Pflege und Versorgung eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen können außergewöhnlich sein. Die Voraussetzung: Die Aufwendungen dafür müssen die Kosten für Besuche überschreiten, die auch ohne Erkrankung anfallen würden.

3.) Behinderung:

Aufwendungen für die Hin- und Rückfahrt, um ein behindertes Kind zu betreuen oder zu pflegen, können abgezogen werden. Jedoch dürfen die Besuche nicht lediglich der allgemeinen Pflege verwandtschaftlicher Beziehungen dienen.

4.) Übernachtung:

Lebt ein behindertes Kind in einer Betreuungseinrichtung, dann können die Übernachtungskosten bei einem Besuch in der Einrichtung ebenfalls abgezogen werden. Voraussetzung ist auch hier, dass die Besuche ausdrücklich der Betreuung des behinderten Kindes dienen.

5.) Gegenbesuch:

Wird durch Attest des behandelnden Arztes bestätigt, dass gerade der Besuch des Kindes bei den Eltern zur Linderung oder Heilung einer Krankheit entscheidend beitragen kann, kommt ebenfalls ein Abzug der Fahrtkosten in Betracht.

6.) Ferien:

Dies gilt auch, wenn bei einem gemeinsamen Urlaub mit einem behinderten Kind Aufwendungen für eine Begleitperson – in angemessener Höhe neben dem Behinderten-Pauschbetrag – gemacht werden.

Fundstellen zum Thema Umgang, Umgangsrecht, Kosten

Die maßgeblichen BFH-Entscheidungen zum Thema Umgang und seine Kosten finden Sie unter diesen Aktenzeichen:

BFH, Beschl. v. 15.05.2012 – VI B 111/11
BFH, Urt. v. 05.03.2009 – VI R 60/07
BFH, Urt. v. 27.09.2007 – III R 28/05, BStBl 2008 II 287
BFH, Urt. v. 27.09.2007 – III R 30/06
BFH, Urt. v. 27.09.2007 – III R 41/04
BFH, Urt. v. 27.09.2007 – III R 55/05
BFH, Urt. v. 27.09.2007 – III R 71/06
BFH, Urt. v. 10.05.2007 – III R 39/05, BStBl 2007 II 764
BFH, Urt. v. 28.03.1996 – III R 208/94, BStBl 1997 II 54
BFH, Urt. v. 18.06.1997 – III R 60/96
BFH, Urt. v. 23.05.1990 – III R 63/85, BStBl 1990 II 894
BFH, Urt. v. 23.05.1990 – III R 145/85, BStBl 1990 II 895
BFH, Urt. v. 24.05.1991 – III R 28/89
BFH, Urt. v. 06.04.1990 – III R 60/88, BStBl 1990 II 958
BFH, Beschl. v. 11.01.2011 – VI B 60/10

3 Kommentare zu “Umgang: BFH sieht in Umgangskosten keine außergewöhnliche Belastung

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,
    ich suche nach einem Anhaltspunkt zu folgender Frage:
    Eine deutsche Familie mit 2 hier lebenden minderjährigen Kindern stammt aus dem Senegal. Sie haben dort zwei weitere minderjährige Kinder, die sie jetzt nach Deutschland geholt haben, um die Familie zusammenzuführen. Die Flugkosten waren nicht unerheblich. Das Familieneinkommen beträgt unter 3.000 € netto. Besteht die Möglichkeit, diese Ausgaben als einmalige außergewöhnlich Belastungen steuerlich geltend zu machen ?
    Mit bestem Dank,
    Rainer Feuerstack

    • Eine Webseite darf keine Antworten zu konkreten rechtlichen Fragestellungen geben.

      Aber was sagte das Finanzamt dazu? Hat die Geltendmachung geklappt?

  2. Ich finde es gut, dass der Artikel auf alle Ausnahmen eingeht, mit denen man seine Kosten eventuell doch absetzen kann. Wie immer ist es nämlich etwas tricky den Staat an seinen Belastungen zu beteiligen.

    Übrigens Kompliment. Habe hier gerade einige Artikel überflogen und kann nur die gut recherchierten Texte loben!

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