Ehegattenunterhalt: BGH-Urteil zur Befristung des Aufstockungsunterhalts nach Vergleichsschluss

Bei einem Vergleich über den Aufstockungsunterhalt behielt sich der Ehemann eine spätere Befristung des Unterhalts vor. Doch anstatt die Befristung in einem ersten Abänderungsverfahren vom 15.05.2007 geltend zu machen, versucht er diese erst in einem zweiten Abänderungsverfahren durchzusetzen. Der BGH geht jedoch von der Präklusion des Befristungseinwandes aus (BGH, Urt. v. 23.05.2012 – XII ZR 147/10, DRsp-Nr. 2012/14107).

BGH zur Befristung des Aufstockungsunterhalts: Der Fall

Die geschiedenen Ehegatten streiten darüber, ob eine nachträgliche Befristung des Aufstockungsunterhalts möglich ist. Der Unterhalt wurde erstmals durch einen Vergleich vom 07.04.2005 geregelt, der die folgende Passage enthält:

 

„Die Parteien sind sich einig, dass derzeit die rechtlichen Voraussetzungen für eine zeitliche Begrenzung des Unterhalts nicht vorliegen, jedoch ist der Ehemann für den Fall einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen dieses Vergleichs mit diesem Einwand nicht ausgeschlossen.“

 

In einem ersten Abänderungsverfahren wurde der nacheheliche Unterhalt durch Urteil vom 15.05.2007 neu festgesetzt. In diesem Urteil erfolgte keine Befristung.

Erst in einem weiteren Abänderungsverfahren will der Ehemann eine Befristung des Ehegattenunterhalts durchsetzen. Doch das ist nach Ansicht des BGH in der vorliegenden Fallkonstellation nicht möglich.

 

Die wesentlichen Entscheidungsgründe

Präklusionsvorschrift ausnahmsweise auch auf Vergleiche anwendbar

Der BGH geht von der Präklusion des Befristungseinwands aus. Die Präklusionsvorschrift ist auf Vergleiche ausnahmsweise anwendbar, wenn ein Prozessvergleich bereits in einem früheren Abänderungsverfahren durch Urteil abgeändert worden ist.

Maßgebender Zeitpunkt ist der Schluss der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Parteistellung oder Zielrichtung des Vorprozesses an.

Denn das Gesetz stellt nicht nur auf die Erweiterung des Klageantrags, sondern auch auf die Geltendmachung der rechtserheblichen Einwendungen ab und hält damit beide Parteien dazu an, ihren Standpunkt bereits im Ausgangsprozess zur Geltung zu bringen.

BGH sieht keine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse

Entscheidend im vorliegenden Fall zum nachehelichen Unterhalt: Seit dem ersten Abänderungsurteil sind keine wesentlichen Änderungen eingetreten, und zwar

  • weder hinsichtlich der für die Unterhaltsbefristung maßgeblichen Kriterien wie der Ehedauer, des erlittenen ehebedingten Nachteils, des Alters oder des Gesundheitszustands
  • noch hinsichtlich der rechtlichen Verhältnisse.

Keine wesentliche Veränderung der Rechtslage hinsichtlich des Aufstockungsunterhalts

Die Einführung des § 1578b BGB hat hinsichtlich des Aufstockungsunterhalts nach § 1573 Abs. 2 BGB die Rechtslage seit dem Vorprozess nicht entscheidend geändert.

Die maßgebliche Änderung seiner Rechtsprechung hat der BGH hinsichtlich der beim Aufstockungsunterhalt möglichen Befristung (§ 1573 Abs. 5 BGB a.F.) bereits am 12.04.2006 vollzogen (Urt. v. 12.04.2006 – XII ZR 240/03, FamRZ 2006, 1006).

Keine wesentliche Veränderung der Rechtsprechung

Es erscheint schon zweifelhaft, ob die Ehedauer von neuneinhalb Jahren eine Befristung des nachehelichen Unterhalts nach den Grundsätzen vor der BGH-Entscheidung vom 12.04.2006 ausgeschlossen hätte.

Jedenfalls danach hätte der Ehemann die Befristung und Herabsetzung des Unterhalts bereits im Vorprozess geltend machen können und müssen.

Nach dem Stand der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der abschließenden mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht am 22.04.2007 kam es vorwiegend auf die Frage an, ob der Ehefrau nach der Scheidung ehebedingte Nachteile verblieben sind.

Diese Frage war wegen der unveränderten Tatsachenlage bereits im Vorprozess und nicht erst im vorliegenden Verfahren zu beantworten.

Umfang der Rechtskraft des Vorprozessurteils

Da die Befristung und Herabsetzung des Ehegattenunterhalts bei entsprechendem Sachvortrag von Amts wegen zu überprüfen waren, schließt die Rechtskraft des ersten Abänderungsurteils jedenfalls bei unveränderter Tatsachenlage eine künftige Befristung und Herabsetzung des Unterhalts aus.

Im Unterschied zu dem von den Ehegatten ursprünglich geschlossenen Unterhaltsvergleich ist hier auch nicht auf die Vorstellungen der Parteien abzustellen, die im Zweifel noch keinen späteren Ausschluss einer Unterhaltsbegrenzung vereinbaren wollen.

Da das Gericht die Frage der Befristung von Amts wegen zu prüfen hat und jedenfalls bei einer abgeschlossenen Entflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten auch nicht offenlassen darf, erfasst die Rechtskraft des Urteils im Zweifel auch die Möglichkeit einer Befristung, die damit bei unveränderter Tatsachenlage ausgeschlossen ist.

Eingeschränkte Rechtskraft des Vorprozessurteils

Etwas anderes gilt dann, wenn das Gericht in den Entscheidungsgründen die künftige Befristung etwa wegen einer noch nicht zuverlässig absehbaren Entwicklung der Verhältnisse ausdrücklich offenlässt.

Dann ist die Rechtskraft der Entscheidung entsprechend eingeschränkt. Sie steht einer späteren Berücksichtigung des Befristungseinwands selbst dann nicht entgegen, wenn über eine Befristung richtigerweise bereits im Ausgangsverfahren hätte entschieden werden müssen.

Regelung des § 36 Nr. 1 EGZPO

Auch auf § 36 Nr. 1 EGZPO lässt sich eine Abänderung des Ausgangsurteils nicht stützen, denn diese Vorschrift eröffnet keine eigenständige Abänderungsmöglichkeit, sondern stellt lediglich klar, dass die Gesetzesänderung ein Anwendungsfall des § 323 Abs. 1 ZPO a.F. ist.

Befristung des Aufstockungsunterhalts: Die Folgerungen aus der Entscheidung

Bei der Abänderung eines Vergleichs durch eine gerichtliche Entscheidung und umgekehrt (sogenannter Kettenabänderung) richten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen immer nach der Rechtsnatur des letzten Titels.

Ist der letzte Titel eine gerichtliche Entscheidung – gleichviel ob Erstfestsetzungs- oder Abänderungsentscheidung –, gilt für die Abänderung § 238 FamFG mit den strengen Voraussetzungen einer wesentlichen Veränderung der Sach- oder Rechtslage, der Abänderung erst ab Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags und der fehlenden Präklusion.

Ist der letzte Titel ein Vergleich, gilt § 239 FamFG mit der weniger strengen Voraussetzung einer Veränderung der Geschäftsgrundlage.

 

Praxishinweis zum Ehegattenunterhalt nach der Entscheidung des BGH

Mit dieser Entscheidung bestätigt der BGH seine bisherige Rechtsprechung zur Befristung in Übergangsfällen. Ist der Titel vor dem 01.01.2008 ergangen (sogenannter Alttitel), ist für Sie zunächst zu prüfen, auf welcher Anspruchsgrundlage der Unterhalt zuerkannt worden ist.

Denn nach altem Recht konnten nur Unterhaltsansprüche aus § 1573 BGB gemäß dem weggefallenen Abs. 5 befristet werden. Bei anderen Ansprüchen kann der Befristungseinwand daher nicht greifen.

Bei auf § 1573 BGB gestützten Alttiteln ist als Stichtag der 12.04.2006 maßgebend, an dem sich die Rechtsprechung des BGH geändert hat. Bei älteren Titeln greift der Präklusionseinwand nicht, bei jüngeren hingegen schon.

Bei fehlendem Sachvortrag zur Befristung des Ehegattenunterhalts gerät der Anwalt des Unterhaltspflichtigen in Regress (OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 114 und Beschl. v. 18.11.2008 – I-24 U 19/08, FUR 2010, 40).

 

Redaktion/ Weiterer Aufsicht führender Richter am AG Dr. Wolfram Viefhus, Oberhausen

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