Elternunterhalt und Patchwork-Familie: BGH gibt Familienvater Recht!

Stichwort Elternunterhalt Berechnung: Hier hat es im März ein aufsehenerregendes BGH-Urteil gegeben (lesen Sie hier auch unseren Vorbericht). Fraglich war, ob und welche Patchwork-Konstellationen einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von Kindern haben, die für ihre Eltern Unterhalt leisten sollen.

BGH, Beschluss vom 9.3.2016

Der Sachverhalt: Der Antragsteller begehrt als Sozialhilfeträger vom Antragsgegner Elternunterhalt aus übergegangenem Recht.

Der Vater des Antragsgegners wird von einem Pflegedienst in der eigenen Wohnung betreut und versorgt und bezieht vom Antragsteller Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege).

 

Der Antragsgegner lebt in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft, aus der eine Tochter hervorgegangen ist. Seine Lebensgefährtin ist geschieden. Zwei aus ihrer Ehe stammende minderjährige Kinder leben ebenfalls im gemeinsamen Haushalt.

Das Amtsgericht und das OLG haben den Antragsgegner zu laufenden Unterhaltszahlungen verpflichtet. Da er in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft nicht verpflichtet sei, gem. § 1360 BGB zum Familienunterhalt beizutragen, stehe ihm, anders als zusammenlebenden Ehegatten, ein Familienselbstbehalt nicht zu.

Familienselbstbehalt – ja oder nein?

Die erfolgreiche Rechtsbeschwerde des Antragsgegners führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Auf einen Familienselbstbehalt kann sich der in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft lebende Unterhaltspflichtige zwar nicht berufen.

Bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit für die Zahlung von Elternunterhalt ist jedoch ein vom Unterhaltspflichtigen zusätzlich geschuldeter Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB als – gem. § 1609 Nr. 2 BGB vorrangige – sonstige Verpflichtung i.S.d. § 1603 Abs. 1 BGB von dessen Einkommen abzuziehen.

Dabei ist der vom Antragsgegner seiner Lebensgefährtin gewährte Naturalunterhalt anhand der Vorgaben des § 1615l BGB zu monetarisieren (zum Kindesunterhalt BGH, Beschl. v. 07.05.2014 – XII ZB 258/13).

Elternbezogene Gründe für Verlängerung des Betreuungsunterhalts

Im Einzelfall kommen auch elternbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das dritte Lebensjahr hinaus in Betracht. Ein elternbezogener Grund für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts kann darin liegen, dass ein Elternteil das gemeinsame Kind im weiterhin fortdauernden Einvernehmen mit dem anderen persönlich betreut und deshalb ganz oder teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist.

Eine solche Gestaltung ist im Verhältnis zu den unterhaltsberechtigten Eltern so lange nicht rechtsmissbräuchlich, wie es den berechtigten Interessen innerhalb der neuen Familie entspricht, dass ein Partner zugunsten der Haushaltsführung und Kinderbetreuung auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet.

Auch Umstände, die aus elternbezogenen Gründen zu einer eingeschränkten Erwerbspflicht und damit zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen können, hat der Unterhaltsberechtigte darzulegen und zu beweisen (BGH, Beschl. v. 10.06.2015 – XII ZB 251/14 und Beschl. v. 13.01.2010 – XII ZR 123/08).

An die Darlegung elternbezogener Gründe bei § 1615l BGB sind zudem höhere Anforderungen zu stellen als nach § 1570 Abs. 2 BGB, weil sich bei nicht verheirateten Eltern – anders als bei Ehegatten – mangels eines entsprechenden Rechtsakts nicht ohne Weiteres auf einen gegenseitigen Einstandswillen schließen lässt.

Der Umstand, dass ein Elternteil im Rahmen einer intakten nicht ehelichen Lebensgemeinschaft die Betreuung des gemeinsamen Kindes übernommen hat und diese Rollenverteilung von den Partnern gelebt wird, indiziert jedoch ein entsprechendes Einvernehmen.

Anders als bei Partnern, die nach der Trennung nicht mehr einvernehmlich an dieser ursprünglich gelebten Rollenverteilung festhalten, bedarf es deshalb nicht der gesonderten Darlegung eines besonderen Vertrauenstatbestands.

Beweislast bei Verlängerung des Betreuungsunterhalts

Für die Voraussetzungen für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus trägt der Unterhaltsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast.

Beruft sich ein zum Elternunterhalt Verpflichteter auf seine Unterhaltspflicht nach § 1615l BGB und damit auf eine sonstige Verpflichtung i.S.d. § 1603 Abs. 1 BGB, hat er im Verhältnis zu dem Elternunterhaltsberechtigten das Vorliegen der Voraussetzungen des Anspruchs aus § 1615l BGB darzulegen und zu beweisen, weil er damit seine Leistungsunfähigkeit einwendet.

Hat ein Lebensgefährte im Rahmen einer intakten nicht ehelichen Lebensgemeinschaft die Betreuung des gemeinsamen Kindes übernommen, genügt dies, um einen elternbezogenen Grund darzulegen.

Zu prüfen ist ein möglicher Missbrauch zulasten des Elternunterhaltsberechtigten oder des Sozialhilfeträgers.

Eröffnet der Vortrag einen verlängerten Anspruch auf Betreuungsunterhalt dem Grunde nach, muss das Gericht darauf hinweisen, dass noch weiterer Vortrag namentlich zum Umfang der Betreuung, zum Einkommen oder zu etwaigen Kapitaleinkünften und zum Bedarf erforderlich ist.

Praxishinweis: § 1615l BGB ist nur anzuwenden, wenn ein gemeinsames Kind betreut wird, das also vom Unterhaltspflichtigen des Anspruchs aus § 1615l BGB abstammt. Betreut die Mutter neben dem gemeinsamen Kind ein weiteres aus einer anderen Beziehung, hat dies keine Bedeutung.

Sollte das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht ausreichen, ist zu prüfen, ob er in den Grenzen des ihm ggf. zu belassenden Altersvorsorgevermögens (BGH, Beschl. v. 29.04.2015 – XII ZB 236/14) aus seinem Vermögen leistungsfähig ist.

Zusammenfassung der BGH-Entscheidung vom 9.3.2016

Leistungsfähigkeit für Zahlung von Elternunterhalt bei zusätzlich geschuldetem Betreuungsunterhalt

Bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit für die Zahlung von Elternunterhalt ist ein vom Unterhaltspflichtigen zusätzlich geschuldeter Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB als – vorrangige – sonstige Verpflichtung von dessen Einkommen abzuziehen.

BGH, Beschl. v. 09.03.2016 – XII ZB 693/14

BGB § 1603 Abs. 1
BGB § 1609 Nr. 2
BGB § 1615l

Weiterer Aufsicht führender Richter am Amtsgericht a.D. Dr. Wolfram Viefhues

3 Kommentare zu “Elternunterhalt und Patchwork-Familie: BGH gibt Familienvater Recht!

  1. Wie wird der Unterhalt des Kindes das bei der Mutter lebt berechnet wenn der Vater des Kindes seid 5 Jahren in einer neuen Beziehung lebt wieviel Selbstbehalt hat er mit seiner Lebensgefährtin die selber ein Kind mit in die Beziehung gebracht hat oder zählt die Partnerin extra als alleinerziehend mit Kind

  2. Bei uns lebten 10 Jahre lang meine beiden Kinder aus erster Ehe (heute 14,17), die der leibliche Vater bei Trennung aus der privaten Versicherung warf und mich in der Firma anstellte, um mich und die Kinder in die gesetzliche Versicherung zu zwingen. Heute mit 17 ist die Tochter zu ihrem Vater gezogen, der nun seinerseits Unterhalt fordert (sein Nettogehalt 9000€). Zwischenzeitlich sind 3 neue Kinder aus einer neuen Ehe hervorgegangen (4,4,8). Der neue Ehemann hat Teilzeit eine Selbständigkeit aufgenommen, die bisher hoch verlustreich ist. Wird für die Unterhaltsberechnung (Mangelunterhalt) der Tochter tatsächlich nur auf die Kinder verteilt oder wie wird berücksichtigt, dass vom Gehalt im Haushalt auch der neue Ehemann leben muss?

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