Nacheheliche Teilansprüche sind gesondert auszuweisen

Auch nach der Unterhaltsrechtsreform sind Teilansprüche des nachehelichen Unterhalts auszuweisen. Die Höhe der Teilansprüche muss konkret berechnet werden.

Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 26.11.2008 – XII ZR 131/07, DRsp-Nr. 2009/1894.

Schwerpunkte des Urteils sind zwei nach der Unterhaltrechtsreform wichtige Aspekte:

  • die Abgrenzung von Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB und Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB (im Anschluss an das Senatsurteil vom 27.01.1993 – XII ZR 206/91, FamRZ 1993, 789)
  • die Befristung des Krankheitsunterhalts gemäß § 1578b Abs. 2 BGB.

Sachverhalt

Die geschiedenen Eheleute streiten um nachehelichen Unterhalt und dessen Befristung. Sie heirateten 1994. Damals war die Antragstellerin 36 Jahre alt, der Antragsgegner 47 Jahre. Nach der Eheschließung führten sie zunächst noch getrennte Haushalte und lebten bis zur Trennung im Mai 2003 fünf Jahre kinderlos zusammen. Die Antragstellerin ist Versicherungskauffrau, der Antragsgegner gelernter Klempner und Installateur. Seit 1998 ist er krankheitsbedingt nicht mehr erwerbstätig und bezieht Rente. Er begehrt nachehelichen Unterhalt.

 

In der Berufung wurde der Unterhalt auf monatlich 285 € erhöht, die Befristung auf drei Jahre ab Rechtskraft der Ehescheidung aufrechterhalten.

Entscheidungsgründe

Es kann auch für das neue Unterhaltsrecht nicht dahingestellt bleiben, auf welcher Grundlage der Unterhaltsanspruch beruht, selbst wenn die in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen im konkreten Fall bei der Frage der Befristung zu demselben Ergebnis führen.

Es besteht also auch nach neuem Unterhaltsrecht die Notwendigkeit, Teilansprüche zu unterscheiden.

Wenn der Unterhaltsberechtigte an einer Erwerbstätigkeit vollständig gehindert ist, ergibt sich sein Anspruch allein aus §§ 1570 bis 1572 BGB, und zwar auch für den Teil des Unterhaltsbedarfs, der nicht durch das Erwerbshindernis verursacht worden ist.

Bei einer lediglich teilweisen Erwerbshinderung ist der Anspruch allein wegen des durch die Erwerbshinderung verursachten Einkommensausfalls auf §§ 1570 bis 1572 BGB zu stützen und im Übrigen auf § 1573 Abs. 2 BGB.

Auch Krankheitsunterhalt kann nach § 1578b Abs. 2 BGB befristet werden.

BGH klärt Meinungsstreit aufgrund der Unterhaltsrechtsreform

Die Notwendigkeit, auch weiterhin Teilansprüche auszuweisen, ist nach dem neuen Unterhaltsrecht vielfach in Zweifel gezogen worden (so OLG Celle, Urt. v. 28.05.2008 – 15 UF 277/07, DRsp Nr. 2008/17835 = FamRZ 2008, 1449, 1450; Gerhart, FuR 2008, 9, 13; Büte, FuR 2008, 309, 311; vgl. auch OLG Celle, Urt. v. 02.10.2008 – 17 UF 97/08, DRsp Nr. 2009/691 = FamRZ 2009, 56 mit krit. Anm. Borth, FamRZ 2009, 58).

Teilansprüche müssen konkret berechnet werden

Die Rechtsprechung des BGH hat weitreichende praktische Folgen, denn die Höhe der Teilansprüche muss folglich konkret berechnet werden (BGH, Urt. v. 05.09.2001 – XII ZR 108/00, DRsp Nr. 2001/16098 = FamRZ 2001, 1687, 1691; Erman-Graba, BGB (2008), § 1570 BGB Rdnr. 27 f.; Borth, UnterhaltsrechtsändG 2008, Rdnr. 165; Kemper, Das neue Unterhaltsrecht (2008) Rdnr. 328; zu Berechnungsfragen siehe Gutdeutsch FF 2008, 488). Wenn dies im Titel nicht erfolgt ist, ist auch die vom Titel insgesamt begünstigte Unterhaltsberechtigte beschwert (BGH, Urt. v. 05.09.2001 – XII ZR 108/00, DRsp Nr. 2001/16098 = FamRZ 2001, 1687, 1691; Kleffmann in Scholz/Stein, Praxishandbuch Familienrecht, 2008, Teil H Rdnr. 53).

Der Unterhaltsanspruch ergibt sich zu überwiegendem Teil aus § 1572 BGB , da der Antragsgegner wegen Krankheit nicht zu einer Erwerbstätigkeit in der Lage ist. Der Bedarf besteht in Höhe der durch das Erwerbshindernis verursachten Einkommenseinbuße. Zwar kann das zur Ermittlung der Einkommenseinbuße herangezogene hypothetische Einkommen unter Berücksichtigung pauschaler Werbungskosten ermittelt werden.

Kein Abzug des Erwerbstätigenbonus

Nicht gerechtfertigt ist aber der Abzug eines Erwerbstätigenbonus. Maßstab für den hypothetischen Bedarf ohne die Hinderung durch die Krankheit ist vielmehr das Einkommen, das dem Unterhaltsberechtigten bei voller Erwerbstätigkeit zur Bestreitung seines Lebensbedarfs zur Verfügung stehen würde. Um seinen Lebensbedarf zu bestreiten, könnte er aber sein gesamtes Arbeitseinkommen verwenden.

Der Antragsgegner könnte ohne Erwerbshindernis netto und bereinigt um pauschale Werbungskosten 1.651 € verdienen. Demgegenüber erzielt er 1.449 € Rente. In Höhe der Differenz (202 €) ergibt sich der Anspruch allein aus § 1572 BGB.

Aber auch ein weitergehender Unterhalt von 83 € (= 285 € ./. 202 €) ergibt sich aus § 1572 BGB und nicht § 1573 Abs. 2 BGB.

Der BGH unterscheidet für die Abgrenzung der Anspruchsgrundlagen wegen eines Erwerbshindernisses aus §§ 1570 bis 1572 BGB und aus § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt) danach, ob wegen des vorliegenden Hindernisses eine Erwerbstätigkeit vollständig oder nur zum Teil ausgeschlossen ist.

  • Wenn der Unterhaltsberechtigte an einer Erwerbstätigkeit vollständig gehindert ist, ergibt sich der Unterhaltsanspruch allein aus §§ 1570 bis 1572 BGB, und zwar auch für den Teil des Unterhaltsbedarfs, der nicht durch das Erwerbshindernis verursacht worden ist, sondern auf dem den angemessenen Lebensbedarf übersteigenden Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (voller Unterhalt) gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB beruht.
  • Nur bei einer lediglich teilweisen Erwerbshinderung ist der Unterhalt allein wegen des durch die Erwerbshinderung verursachten Einkommensausfalls auf §§ 1570 bis 1572 BGB zu stützen und im Übrigen auf § 1573 Abs. 2 BGB. Diese zweite Variante ist jedoch in der Praxis der Normalfall. Insbesondere bei Betreuung von Kindern lässt sich folglich nur der Teil des Anspruchs auf § 1570 BGB zu stützen, der konkret durch die infolge der Kindesbetreuung bedingten Einschränkung der Erwerbstätigkeit verursacht wird. Der übrige Teil des Anspruchs muss dann aus § 1573 BGB hergeleitet – und mit entsprechendem Sachvortrag auch begründet werden.

Der BGH hat allerdings ausdrücklich offen gelassen, ob im Hinblick auf den Rang des kinderbetreuenden Ehegatten gemäß § 1609 Nr. 2 BGB eine andere Sichtweise geboten sein kann.

Befristung des Unterhalts auf drei Jahre nach Unterhaltsrechtsreform zulässig

Die Befristung des Unterhalts auf drei Jahre gem. § 1578 b Abs. 2 BGB ist gerechtfertigt. Das neue Unterhaltsrecht lässt nunmehr auch beim Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB eine zeitliche Begrenzung zu.

Ehebedingte Nachteile liegen nicht vor. Der Antragsgegner musste seine Erwerbstätigkeit während der Ehe aus gesundheitlichen Gründen einstellen, die nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Ehe stehen. Die Erkrankung ist nicht schon ein ehebedingter Nachteil, weil sie während der Ehe eingetreten ist.

Solche Nachteile wären eingetreten, wenn der Unterhaltsberechtigte aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung vorgesorgt hätte. In die Betrachtung einzubeziehen ist dann aber auch, dass der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs ist. Hier sind ihm Rentenanwartschaften von 39,46 EUR übertragen worden, die zu einer Erhöhung seiner Rente geführt haben. Hierdurch hat er allerdings schon mehr erhalten als einen Ausgleich ehebedingter Nachteile.

Die Ehedauer ist nur ein Indiz für die zunehmende Verflechtung der beiderseitigen Verhältnisse. Eine wirtschaftliche Verflechtung bestand nicht. Jeder Ehegatte unterhielt zunächst noch seinen eigenen Haushalt. Auch als sie zusammengezogen waren, wirtschafteten sie im Wesentlichen getrennt.

Allerdings wird eine Krankheit als solche nur in Ausnahmefällen ehebedingt sein. Das führt indessen nicht zwangsläufig zur Befristung, hat allerdings Einfluss auf die grundsätzliche Gewichtung des Unterhalts nach § 1572 BGB im Rahmen der Billigkeitsabwägung und im Hinblick auf das von den Ehegatten zu fordernde Maß an fortwirkender Unterhaltsverantwortung nach der Scheidung. Dementsprechend ist die Legitimation des Krankheitsunterhalts nicht frei von Zweifeln. Da es sich bei der Krankheit und der durch sie bedingten Erwerbsunfähigkeit in der Regel um eine schicksalhafte Entwicklung handelt, ist eine dauerhafte Unterhaltsverantwortung des geschiedenen Ehegatten für das allein in zeitlichem Zusammenhang mit der Ehe stehende Krankheitsrisiko nicht ohne weiteres zu rechtfertigen.

Die Reichweite der nachehelichen Verantwortung bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner exakten Bestimmung. Denn auch eine von ehebedingten Nachteilen getrennte Billigkeitsbetrachtung begründet im vorliegenden Fall jedenfalls keine längere Laufzeit des nachehelichen Krankheitsunterhalts.

Der Ehedauer (hier etwa elf Jahre) kommt hier kein erhebliches Gewicht zu. Der Antragsgegner war bei Eheschließung bereits 47 Jahre alt. Es handelte sich für ihn um die zweite Ehe. Ein besonderes Vertrauen auf den Fortbestand der Unterhaltsverpflichtung wurde durch die Ehe und deren Dauer nicht begründet. Die Parteien lebten nur etwa fünf Jahre zusammen. Dispositionen des Antragsgegners aufgrund eines etwaigen Vertrauens in die fortwährende Unterhaltsverpflichtung der Antragstellerin sind nicht festgestellt.

Der Antragsgegner verfügt schließlich mit seinen beiden Renten über ein – teils durch den Versorgungsausgleich erhöhtes – Einkommen, das ihm einen deutlich über dem Existenzminimum liegenden Lebensstandard sichert. Demgegenüber bedeutet die fortwährende Unterhaltspflicht für die Antragstellerin eine spürbare Belastung, die sie in ihrer Lebensführung nicht unerheblich einschränkt. Zutreffend sind auch weitere Faktoren, wie etwa den über vier Jahre gezahlten Trennungsunterhalt, berücksichtigt.

Prüfungskriterien bei Befristung des Krankheitsunterhalts

Der BGH listet umfassend die Kriterien auf, die bei einer Befristung des Krankheitsunterhalts zu prüfen sind , auf. Auch hier ist anwaltlicher Sachvortrag unverzichtbar. Die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen, die Grundlage für eine Beschränkung nach § 1578b BGB werden sollen, trägt der Unterhaltsverpflichtete (BGH, Urt. v. 25.06.2008 – XII ZR 109/07, DRsp Nr. 2008/13903 = FamRZ 2008, 418; BGH, Urt. v. 14.11.2007 – XII ZR 16/07, DRsp Nr. 2007/22815 = FamRZ 2008, 134; OLG Hamm, Beschl. v. 05.02.2008 – 1 WF 22/08, DRsp Nr. 2008/12656 = FamRZ 2008, 1000, 1001; Reinken ZFE 2008, 58, 61; Viefhues/Mlezcko; Das neue Unterhaltsrecht, 2008, Rdnr. 456; Peschel-Gutzeit, Das neue Unterhaltsrecht 2008, Rdnr. 130).

Dr. Wolfram Viefhues, weiterer aufsichtführender Richter am AG, Oberhausen

BGH, Urteil vom 26.11.2008 – XII ZR 131/07, DRsp-Nr. 2009/1894 > Urteil im Volltext abrufen