Scheinvaterregress: Prüfungsschema

Angenommen, Sie konnten das Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft für Ihren Mandanten erfolgreich gestalten – dann stellt sich im Anschluss die Frage, inwieweit und gegen wen der Scheinvater Regressansprüche bezüglich des zu Unrecht geleisteten Kindesunterhalts geltend machen kann.

Warnhinweis: Scheinvaterregress – bei Verjährung droht der Haftungsfall

Vorab ein wichtiger Hinweis: Nach erfolgreicher Anfechtung der Vaterschaft ist Ihr Mandant über die Möglichkeit der Geltendmachung von Regressansprüchen zu informieren.

Unterbleibt die Aufklärung über einen möglichen Regressanspruch, droht Ihnen im Fall der Verjährung des Scheinvaterregresses ein Haftungsfall.

Urteile zum Scheinvaterregress

Die relevanten Fundstellen zum Scheinvaterregress sehen Sie im nachfolgenden Text jeweils in Klammer zu den einzelnen Prüfpunkten.

Höhe des Scheinvaterregresses

Die Höhe des Scheinvaterregresses wird sich nach der Höhe des Unterhalts richten, den der Erzeuger seinem Kind schuldet, und damit an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des biologischen Vaters zu messen sein (KG, FamRZ 2000, 441; BGH, Urt. v. 27.11.2002 – XII ZR 295/00 und BGH, Beschl. v. 20.02.2013 – XII ZB 412/11).

 

Neben den eigentlichen Unterhaltsleistungen sind ggf. auch die für das Verfahren zur Anfechtung aufgewendeten Kosten und die Kosten für das Abstammungsgutachten zu erstatten.

Scheinvater gegen biologischen Vater

Anspruchsgrundlage: Gemäß der in § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgesehenen Legalzession kann der Scheinvater beim biologischen Vater Regress nehmen, soweit dieser unterhaltspflichtig gewesen wäre.

Soweit dem rechtlichen Vater nicht bekannt ist, wer als biologischer Vater in Betracht kommt, liegt der Gedanke nahe, einen Auskunftsanspruch gegen die Kindesmutter geltend zu machen.

Früher war streitig, ob die Kindesmutter verpflichtet ist, den Namen des biologischen Vaters zu nennen (vgl. hierzu und zur Vollstreckbarkeit dieses Anspruchs BGH, Beschl. v. 03.07.2008 – I ZB 87/06; OLG Bamberg, FamRZ 2004, 562).

In einer Entscheidung vom 11.01.2012 (XII ZR 194/09, FamRZ 2012, 437 m. Anm. Wellenhofer) kam der BGH jedoch zu dem Schluss, dass zur Vorbereitung eines Regressverfahrens von Scheinvätern u.U. ein Recht auf Auskunft gegen die Mutter über die Person des mutmaßlichen biologischen Vaters bestehen kann.

Voraussetzung sei, dass als Ergebnis einer Rechtsgüterabwägung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht stärker wirkt als der Anspruch des Scheinvaters auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG.

Dies ist z.B. der Fall, wenn die Mutter den Scheinvater unter Verheimlichung der gegen dessen Vaterschaft sprechenden Umstände zur Vaterschaftsanerkennung veranlasst hat (BGH, FamRZ 2012, 200; Oelkers/Grün, Aktuelles Unterhaltsrecht von A–Z, Stichwort „Scheinvaterregress“, bestätigt durch BGH, Beschl. v. 20.02.2013 – XII ZB 412/11).

Auch zuletzt hat sich der BGH mit seiner Entscheidung zum Auskunftsanspruch des Kindes auf Kenntnis des Samenspenders an seine bisherige Rechtsprechung gehalten (BGH, Urt. v. 28.01.2015 – XII ZR 201/13 m. Anm. Duden, FamRZ 2015, 741).

BVerfG zum Auskunftsrecht des Scheinvaters

Im Hinblick auf die neueste Entscheidung des BVerfG (BVerfG, FamRZ 2015, 729) zum Auskunftsrecht des Scheinvaters dürfte die vorgenannte Entscheidung allerdings als überholt gelten, da das BVerfG betont hat, die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Regressanspruchs des Scheinvaters Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters zu erteilen, überschreite die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, weil es hierfür an einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht fehle.

Zwar sei eine Verpflichtung der Mutter zur Auskunftserteilung gegenüber dem Scheinvater über die Person des Vaters nicht von vorneherein verfassungsrechtlich ausgeschlossen.

Das Geheimhaltungsinteresse der Mutter könne in bestimmten Konstellationen gegenüber dem finanziellen Regressinteresse des Scheinvaters weniger schutzwürdig und der Mutter in bestimmten Konstellationen daher auch die Verpflichtung zur Auskunftserteilung zumutbar sein.

Eine Auskunftspflicht könne aber nur innerhalb enger Grenzen im Wege richterlicher Rechtsfortbildung begründet werden, da eine solche Auskunftspflicht verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen in erheblichem Maß beeinträchtige, während die für eine Auskunftspflicht sprechenden Gesichtspunkte gering wögen.

Eine solche Auskunftspflicht könne aber generell nicht aus § 242 BGB hergeleitet werden, vielmehr müsse der Gesetzgeber hier tätig werden.

Hinweis: Mittlerweile ist der Gesetzgeber tätig geworden und hat ein entsprechendes Gesetz in die Wege geleitet.

Zu möglichen Lösungen bis dahin vgl. den Aufsatz von Fröschle, FamRZ 2015, 1859.

Problematisch ist zudem, dass die Rechtswirkungen der Vaterschaft gem. § 1600d Abs. 4 BGB erst im Zeitpunkt ihrer Feststellung geltend gemacht werden können.

Der Anspruch des Scheinvaters gegen den biologischen Vater kann somit erst dann geltend gemacht werden, wenn dessen Vaterschaft positiv festgestellt worden ist (OLG Celle, NJW-RR 2000, 451).

Die Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 4 BGB, wonach die Rechtswirkungen der Vaterschaft grundsätzlich erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können, kann im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes in besonders gelagerten Einzelfällen zwar auf die Weise durchbrochen werden, dass die Vaterschaft inzident festgestellt wird (im Anschluss an BGH, Urt. v. 09.11.2011 – XII ZR 136/09).

Die Durchbrechung der Rechtsausübungssperre im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes setzt jedoch voraus, dass der Scheinvater zuvor seine Vaterschaft wirksam angefochten hat.

Nach Ablauf der dafür gem. § 1600b BGB geltenden Frist kommt auch die inzidente Feststellung eines anderen Mannes als Vater nicht mehr in Betracht (BGH, Urt. v. 11.01.2012 – XII ZR 194/09).

Praxistipp: In einem solchen Fall wäre daran zu denken, den vermuteten biologischen Vater zunächst außergerichtlich aufzufordern, auf Kosten des Scheinvaters an einem Abstammungsgutachten teilzunehmen. Inwieweit die gerichtliche Geltendmachung des Regressanspruchs aufgrund der Weigerung des biologischen Vaters, an einem solchen kostenfreien Abstammungsgutachten teilzunehmen, jedoch tatsächlich erfolgreich ist, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden worden (OLG Karlsruhe, FamRZ 2005, 474).

Des Weiteren wäre zu überlegen, ob eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Rahmen des Regressverfahrens nicht ausnahmsweise zulässig ist (hierzu insbesondere BGH, Urt. v. 11.01.2012 – XII ZR 194/09; BGH, Urt. v. 09.11.2011 – XII ZR 136/09, NJW 2012, 450; BGH, Beschl. v. 21.03.2012 – XII ZB 147/10).

Der BGH hat eine solche zumindest dann für zulässig erachtet, wenn davon auszugehen ist, dass ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren auf längere Zeit nicht stattfinden wird, weil die zur Erhebung eines solchen Antrags Befugten dies ausdrücklich ablehnen oder von einer solchen Möglichkeit seit längerer Zeit (hier: 1 3/4 Jahre) keinen Gebrauch gemacht haben (BGH, FamRZ 2008, 1424; BGH, FamRZ 2009, 32).

Auch ist an eine Durchbrechung der Regresssperre des § 1600d Abs. 4 BGB zu denken, wenn die schutzwürdigen Interessen des Kindes und der Familienfriede nicht schwerwiegend berührt werden, wenn bspw. die Vaterschaft des biologischen Vaters bekannt und unstreitig ist (BGH, FamRZ 2008, 1424; OLG Düsseldorf, FamRZ 2000, 1032).

Scheinvaterregress: Scheinvater gegen Kind

Ein Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative BGB scheitert i.d.R. am Entreicherungseinwand.

Auch das Wissen des Kindes oder der Mutter als gesetzliche Vertreterin über das Nichtbestehen der Vaterschaft führt wegen der Sperrwirkung des § 1599 Abs. 1 BGB solange nicht zu einer verschärften Haftung mit Ausschluss des Entreicherungseinwands nach § 819 Abs. 1 i.V.m. § 818 Abs. 4 BGB, wie die statusrechtliche Zuordnung des Scheinvaters zu dem Kind besteht (BGH, FamRZ 1981, 764).

Scheinvaterregress gegen Mutter

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (BGHZ 23, 215; BGHZ 26, 217; BGHZ 57, 229) kommt ein deliktischer Anspruch des Scheinvaters gegen die Kindesmutter gem. § 823 BGB wegen Ehestörung nicht in Betracht, da es sich um einen rein eherechtlichen Vorgang handelt.

Allerdings kann ein Anspruch aus § 826 BGB in Betracht kommen, wenn zu dem Ehebruch eine sittenwidrig schädigende Verletzungshandlung der Ehefrau hinzukommt.

Eine solche liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn die Ehefrau den begangenen Ehebruch nicht von sich aus offenbart, sondern wohl erst dann, wenn die Ehefrau Zweifel des Ehemannes an der Ehelichkeit des Kindes durch bewusst falsche Angaben oder ausdrückliches Leugnen des Ehebruchs zerstreut und den Ehemann so von einem Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft abhält (OLG Hamm, MDR 1999, 42).

Ein solches Verhalten ist zum Beispiel im Leugnen des Ehebruchs der Ehefrau zu sehen, nachdem Ihr Mandant sie ausdrücklich gefragt hat, ob es möglich sei, dass das Kind nicht von ihm abstamme, so dass ein Anspruch Ihres Mandanten gegen die Ehefrau hier nicht ausgeschlossen scheint. Allerdings wird ein solcher Anspruch regelmäßig an der Leistungsfähigkeit der Mutter scheitern.

Unterhaltsanspruch verwirkt?

Zu prüfen ist weiter, welche anderweitigen Folgen sich aus der Nichtabstammung des Kindes von Ihrem Mandanten neben den möglichen Regressansprüchen gegen den leiblichen Vater ergeben könnten.

Sofern der Mandant noch mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, ist hier selbstverständlich an eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs gem. § 1579 BGB zu denken.

Ausschluss des Versorgungsausgleichs?

Sie sollten aber auch an einen möglichen Ausschluss des Versorgungsausgleichs denken. Nach Auffassung des BGH (BGH, Beschl. v. 21.03.2012 – XII ZB 147/10) stellt das Verschweigen der möglicherweise anderweitigen Abstammung des während der Ehe geborenen Kindes ein schwerwiegendes Fehlverhalten dar.

Die Gewährung des Versorgungsausgleichs könnte deshalb als unbillige Härte zu werten sein (§ 1587h Nr. 1 BGB). Dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung tragend bedürfte es zur Beurteilung der unbilligen Härte im konkreten Fall einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse der Ehepartner.

Beruft sich im Versorgungsausgleichsverfahren ein Elternteil auf die Nichtabstammung des Kindes vom rechtlichen Vater, so ist in diesem Verfahren auch zu prüfen, ob eine Ausnahme von der Rechtsausübungssperre des § 1599 Abs. 1 BGB zuzulassen ist (BGH, Beschl. v. 21.03.2012 – XII ZB 147/10).

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