Mit der Unterhaltsabfindung die Prozesskosten bezahlen?

Aktueller VKH-Fall: Eine Frau hat über einen Vergleich eine Unterhaltsabfindung erhalten. Für das Verfahren war der Frau Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Muss sie mit Ihrer Abfindung nachträglich für die Prozesskosten aufkommen?

Vergleich über nachehelichen Unterhalt und Zugewinn

Vor dem OLG schlossen die Ehegatten einen Vergleich über den nachehelichen Unterhalt und den Zugewinnausgleich, nachdem der Ehefrau zuvor ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden war.

AG: Abfindung für Prozesskosten einzusetzen

Daraufhin hat das AG die Ehefrau verpflichtet, die Kosten der Prozessführung aus ihrem Vermögen zu zahlen, da sie ihre Abfindung aus dem Vergleich zur Bestreitung der Verfahrenskosten einsetzen müsse.

Dagegen wendet sie sich mit ihrer Beschwerde und trägt vor, dass es sich bei der Unterhaltsabfindung um eine zweckgebundene Zuwendung handele, die der Sicherung des Lebensunterhalts diene.

 

OLG: Unterhaltsabfindung kein im Nachhinein verfügbares Vermögen

Das OLG hebt den Beschluss des AG auf.
 
Eine Unterhaltsabfindung kann, da es sich um eine grundsätzlich zweckgebundene Zuwendung handelt, die an die Stelle laufender Unterhaltszahlungen tritt, nicht als ein nachträglich für Prozesskosten einzusetzendes Vermögen angesehen werden.

Umrechnung des Abfindungsbetrags in laufendes Einkommen

Der vereinbarte Abfindungsbetrag ist vielmehr in monatliche Unterhaltsleistungen umzurechnen. Maßgeblich ist dabei, für welchen Unterhaltszeitraum der Unterhaltsanspruch abgefunden werden sollte.

Nach Auffassung des OLG muss eine Unterhaltsabfindung nicht generell auf einen Zeitraum von höchstens 24 Monaten umgelegt werden.

Vielmehr ist anhand der jeweiligen individuellen Verhältnisse zu klären, für welchen Zeitraum der Unterhaltsberechtigte voraussichtlich zur Deckung des laufenden Unterhalts auf den Abfindungsbetrag angewiesen sein wird.

Dabei sind die für die Bemessung des Abfindungsbetrags maßgeblichen Vorstellungen der Parteien zu beachten.

Unterhaltsansprüche der Ehefrau

Die Ehefrau ist seit ihrer letzten Tätigkeit 2007/2008 ohne Arbeit. Das AG billigte ihr einen unbefristeten Unterhaltsanspruch in Höhe von zuletzt 800 € zu. Bei der Berechnung der Abfindungssumme für den Vergleich wurde ein Unterhaltszeitraum bis 2022 zugrunde gelegt und damit auf den voraussichtlichen Rentenbeginn der Ehefrau abgestellt.

Zugewinnausgleichansprüche des Ehemannes

Allerdings können diese Beträge bei der Ratenberechnung nicht ungekürzt als Einkommen zugrunde gelegt werden, weil die Ehegatten eine Verrechnung mit den dem Ehemann zustehenden Zugewinnausgleichansprüchen vorgenommen haben.

Folgerungen aus der Entscheidung

Diese Entscheidung ist kaum nachvollziehbar, da sämtliche Beträge – offenbar aus falsch verstandenem Datenschutz – unkenntlich gemacht worden sind. Sie gibt aber Anlass zu einigen Klarstellungen.

Unterhaltsabfindung als Einkommen oder Vermögen?

Wird Unterhalt zur Abgeltung möglicher zukünftiger Unterhaltsansprüche als Einmalzahlung geleistet, ist umstritten, ob diese Zahlung auf einen bestimmten Zeitraum umzulegen ist, sodass sich das laufende Einkommen des Verfahrenskostenhilfeberechtigten erhöht (so Härtl, FamFR 2013, 555, 556), oder ob die Abfindung als einzusetzendes Vermögen anzusehen ist (so Götsche in Horndasch/Viefhues, FamFG, 3. Auflage 2013, Anhang § 76 Rdnr. 142, Stichwort „Unterhalt“).

Unterhaltsrechtlich relevanter Abfindungszeitraum

Im vorliegenden Fall liegen aufgrund der persönlichen Situation der Unterhaltsberechtigten besondere Umstände vor. Bei einem grundsätzlich arbeitsfähigen Unterhaltsberechtigten kann dagegen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass dieser künftig keine Arbeit mehr finden könne und deswegen bis zum Eintritt ins Rentenalter von der Unterhaltsabfindung leben müsse (OLG Stuttgart, Beschl. v. 01.10.2008 – 8 WF 161/08 – bei einer über 50-jährigen Unterhaltsberechtigten).

 

Praxishinweis

In der Praxis ist bedeutsam, dass das seit dem 01.04.2014 geltende neue Prozesskostenhilferecht in § 120a Abs. 3 ZPO ausdrücklich regelt, ob die Partei das durch die Prozessführung Erlangte im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe einsetzen muss und wann dies berücksichtigt werden kann. Grundsätzlich gilt: Wenn aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung oder eines Vergleichs größere Geldzahlungen an die Partei fließen, muss diese das erhaltene Vermögen und Einkommen nachträglich zur Prozessfinanzierung einsetzen.
 
Eine Einschränkung macht das Gesetz lediglich für den Fall, dass der durch die Prozesskostenhilfe Begünstigte bei rechtzeitiger Zahlung des Geldes, das er erst durch das Verfahren erlangt hat, dennoch einen Anspruch auf ratenfreie Prozesskostenhilfe gehabt hätte. Eine Anrechnung ist demnach nicht ausgeschlossen, wenn sie zu einer Ratenzahlungsanordnung geführt hätte.
 
Gezahlter Unterhaltsrückstand ist auf den Zahlungszeitraum umzulegen, denn auch rechtzeitig gezahlter Unterhalt hätte von dem Beteiligten als Einkommen gem. § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingesetzt werden müssen.
 
Nur wenn der Beteiligte aufgrund der abzusetzenden Beträge gleichwohl einen Anspruch auf ratenfreie Prozesskostenhilfe gehabt hätte, muss er den erlangten rückständigen Unterhalt nicht nachträglich als wesentliche Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse an die Staatskasse abführen.
 
Ein erlangter Zugewinnausgleich stellt Vermögen dar (Härtl, a.a.O.) und ist unter Berücksichtigung der Freibeträge nach § 115 ZPO und des Schonvermögens, das der Partei nach § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 90 SGB XII zusteht (Nickel, MDR 2013, 890, 893 und Viefhues, FuR 2013, 488, 498), zur Verfahrensfinanzierung einzusetzen. Dies gilt selbst dann, wenn der Ausgleichbetrag verwendet wird, um ein angemessenes Hausgrundstück nach § 115 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII, das an sich geschützt ist, zu erwerben (BGH, Beschl. v. 18.07.2007 – XII ZA 11/07, DRsp-Nr. 2007/15274).

 

Zusammenfassung

1.

Eine Unterhaltsabfindung, die an die Stelle laufender Unterhaltszahlungen tritt, kann nicht als ein im Rahmen des § 120 Abs. 4 i.V.m. § 115 Abs. 3 ZPO nachträglich für Prozesskosten einzusetzendes Vermögen angesehen werden.
 
2.

Der vereinbarte Abfindungsbetrag ist vielmehr in monatliche Unterhaltsleistungen umzurechnen. Soweit sich aus diesen zusammen mit den Erwerbseinkünften bei einer Berechnung nach § 115 Abs. 2 ZPO ein ausreichendes Einkommen ergibt, können im Rahmen des § 120 Abs. 4 ZPO nachträglich monatliche Ratenzahlungen angeordnet werden. Dafür ist anhand der jeweiligen individuellen Verhältnisse zu klären, für welchen Zeitraum der Unterhaltsberechtigte voraussichtlich auf den Abfindungsbetrag zur Deckung des laufenden Unterhalts angewiesen sein wird. Dabei sind die für die Bemessung des Abfindungsbetrags maßgeblichen Vorstellungen der Parteien zu beachten.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.01.2014 – 2 WF 271/13, DRsp-Nr. 2014/2841

Autor: Weiterer Aufsicht führender Richter am AG Dr. Wolfram Viefhues, Oberhausen