Als Familienrechtler kennen Sie die Schwierigkeiten bei Eheverträgen: Die Scheidungsfolgen dürfen Sie nur in einem eng begrenzten Rahmen frei gestalten.
Ein Ehepartner durch Ehevertrag benachteiligt?
Stellen Sie sich vor, Ihre Mandanten möchten in einem Ehevertrag den Versorgungsausgleich vollständig ausschließen. Ein Ehepartner wird dadurch wirtschaftlich benachteiligt. Welche Möglichkeiten haben Sie, den Nachteil zu kompensieren – so dass die Regel wirksam wird?
Und wie sieht es Ihrer Meinung nach mit dieser Vereinbarung aus:
„Für den Fall der Trennung wird keine der Parteien gegen die andere Getrenntlebensunterhaltsansprüche geltend machen.“
Können die Ehepartner dadurch tatsächlich auf den Trennungsunterhalt verzichten?
Der BGH hat sich ebenfalls genau mit diesen beiden Fragen beschäftigt. Wie die Antworten der Karlsruher Richter aussehen, lesen Sie in der folgenden Urteilsbesprechung unseres Autors Richter am OLG Frank Götsche, Brandenburg:
BGH, Beschl. v. 29.01.2014 – XII ZB 303/13, DRsp-Nr. 2014/4262
1. Der vollständige Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann auch bei einer Alleinverdienerehe der ehevertraglichen Wirksamkeitskontrolle standhalten, wenn die wirtschaftlich nachteiligen Folgen dieser Regelung für den belasteten Ehegatten durch die ihm gewährten Kompensationsleistungen (hier: Finanzierung einer privaten Kapitalversicherung und Übertragung einer Immobilie) ausreichend abgemildert werden.
2. Zu den subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit im Rahmen der Gesamtwürdigung eines objektiv einseitig belastenden Ehevertrags (Fortführung von BGH, Urt. v. 31.10.2012 – XII ZR 129/10, DRsp-Nr. 2012/23338 und Urt. v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11, DRsp-Nr. 2013/754)
3. Das gesetzliche Verbot des Verzichts auf Trennungsunterhalt kann durch ein pactum de non petendo nicht umgangen werden.
Darum geht es: Die Ehegatten streiten im Scheidungsverbund um Versorgungs- und Zugewinnausgleich und dabei insbesondere über die Wirksamkeit eines Ehevertrags.
Verzicht auf Versorgungsausgleich und Trennungsunterhalt
In diesem Vertrag trafen die Ehegatten umfangreiche und weitgehende Vereinbarungen zur Regelung ihrer vermögensrechtlichen Beziehungen, bei der sie die gesetzlichen Scheidungsfolgen und insbesondere den Versorgungsausgleich ausschlossen. Zum Trennungsunterhalt enthält die Vereinbarung die folgende Bestimmung: „Für den Fall der Trennung wird keine der Parteien gegen die andere Getrenntlebensunterhaltsansprüche geltend machen.“
Entscheidungen der Vorinstanzen: Das AG hat – nach vorheriger Einholung von Versorgungsauskünften – die Ehe geschieden und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet; das Begehren der Antragsgegnerin auf Zugewinnausgleich hat das AG insgesamt abgewiesen.
Das OLG hat die gegen den Ausspruch zum Versorgungs- und zum Zugewinnausgleich gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.
Wesentliche Entscheidungsgründe: Der BGH bestätigt zunächst seine ständige Rechtsprechung, wonach die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen darf, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann.
Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, was einer umso genaueren Prüfung bedarf, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift.
Kernbereichslehre beim Versorgungsausgleich
Der BGH ordnet neben dem Betreuungsunterhalt auch den Versorgungsausgleich dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zu. Der Versorgungsausgleich steht als vorweggenommener Altersunterhalt einer vertraglichen Gestaltung nur begrenzt offen (BGH, Urt. v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11, DRsp-Nr. 2013/754).
Gerichtliche Kontrolle nicht ohne Anlass
Die richterliche Kontrolle einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich hat der Tatrichter jedoch nur durchzuführen, wenn und soweit das Vorbringen der Beteiligten oder die Sachverhaltsumstände dazu Veranlassung geben. Demgegenüber besteht auch bei scheidungsnahen Vereinbarungen grundsätzlich keine Verpflichtung des Gerichts, bereits von Amts wegen umfassende Ermittlungen zu den wirtschaftlichen Folgen eines etwaigen Verzichts auf den Versorgungsausgleich durchzuführen.
Denn ein faktischer Rückgriff auf die Prüfungsmaßstäbe des früheren § 1587o Abs. 2 Satz 4 BGB wäre mit der sich aus den §§ 6 ff. VersAusglG ergebenden gesetzlichen Wertung, Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich möglichst zu erleichtern, nicht in Einklang zu bringen (Hahne, FamRZ 2009, 2041, 2043 und Wick, FPR 2009, 219, 220).
Teilnichtigkeit des Ehevertrags und deren Auswirkungen
Nach diesen Maßstäben bestätigt der BGH die Wirksamkeit der ehevertraglichen Regelungen trotz der damit einhergehenden gravierenden wirtschaftlichen Nachteile für die Antragsgegnerin. Dagegen hält der BGH die Vereinbarung hinsichtlich des Verzichts auf die Geltendmachung von Trennungsunterhalt für nach § 134 BGB nichtig.
Denn der Schutzzweck des § 1614 BGB verbietet es, dem Unterhaltsberechtigten unter Hinweis auf den Parteiwillen den Unterhaltsanspruch ganz zu versagen (Deisenhofer, FamRZ 2000, 1368, 1369). Da deswegen weiter zu prüfen ist, ob die Teilnichtigkeit gem. § 139 BGB auch die weiteren Bestimmungen der notariellen Vereinbarung erfasst, verweist der BGH die Sache an das OLG zurück.
Folgerungen aus der Entscheidung
Die materielle Wirksamkeit ehevertraglicher Regelungen ist durch eine Inhalts- und Ausübungskontrolle zu prüfen. Für den Versorgungsausgleich folgt dies aus § 8 Abs. 1 VersAusglG. Hinsichtlich der Prüfung durch das Gericht folgt der BGH dem Veranlassungsprinzip:
Wenn keiner der Beteiligten die Wirksamkeit der Vereinbarung in Zweifel zieht, wird das Gericht i.d.R. keine Veranlassung zu einer weiter gehenden Wirksamkeitsprüfung haben. Das Gericht darf insbesondere nicht eigenständig nach Unwirksamkeitsgründen forschen; nicht einmal die Einholung von Versorgungsauskünften wäre gerechtfertigt.
Eine genauere Inhalts- und Ausübungskontrolle einer (Versorgungsausgleichs-)Vereinbarung sind vom Gericht nur dann durchzuführen, wenn
- einer der Beteiligten die materiell-rechtliche Unwirksamkeit der Vereinbarung rügt (Götsche in HK-VersAusglR, § 8 Rdnr. 58 und Hauß, FPR 2011, 26, 30) oder
- Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit vorliegen, z.B. eine der typischen Unwirksamkeitsfallgruppen (Münch, FamRB 2010, 51, 55 f. und Wick, FuR 2010, 301).
Verzicht auf Trennungsunterhalt unwirksam
Nach § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB, § 1360a Abs. 3 BGB i.V.m. § 1614 Abs. 1 BGB ist ein Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt unwirksam und daher nach § 134 BGB nichtig.
Dies soll verhindern, dass sich der Unterhaltsberechtigte während der Trennungszeit durch Dispositionen über den Bestand des Unterhaltsanspruchs seiner Lebensgrundlage begibt und dadurch ggf. öffentlicher Hilfe anheimzufallen droht.
Auch Umgehungsgeschäfte unwirksam
Ein sogenanntes pactum de non petendo, d.h. die Verpflichtung oder das Versprechen des unterhaltsberechtigten Ehegatten, Trennungsunterhalt nicht geltend zu machen, berührt zwar den Bestand des Unterhaltsanspruchs nicht, doch begründet es eine Einrede gegen den Unterhaltsanspruch, die wirtschaftlich zu dem gleichen Ergebnis führt wie ein Unterhaltsverzicht.
Die ganz herrschende Meinung, der der BGH hier ausdrücklich folgt, sieht daher in einem pactum de non petendo ein unzulässiges und daher unwirksames Umgehungsgeschäft (OLG Karlsruhe, Urt. v. 02.10.1991 – 2 A UF 35/91, DRsp-Nr. 1994/11329 und Huhn, RNotZ 2007, 177, 187; anderer Auffassung: OLG Köln, Urt. v. 21.05.1999 – 4 UF 245/98, DRsp-Nr. 2000/8657).
Praxishinweis: |
Autor: Richter am OLG Frank Götsche, Brandenburg an der Havel