Zugewinnausgleich: Auf die richtige Strategie kommt es an

Als Familienrechtsanwalt wissen Sie: Der Zugewinnausgleich ist von Strategie und Taktik geprägt wie kaum ein anderes Gebiet des Familienrechts. Allerdings ist darüber auch die Gegenseite im Bilde. Wie gehen Sie also am geschicktesten vor, um die Interessen Ihres Mandanten zu schützen?

Gehen Sie beim Zugewinnausgleich strategisch vor!

Eine erfolgreiche Strategie zu entwickeln und sie mit dem Mandanten sorgfältig abzusprechen, ist gar nicht so einfach. Es gibt aber Methoden und Tricks, mit denen Sie taktische Fehler vermeiden und Ihrem Gegenüber eine Nasenlänge voraus sind.

Eins vorweg: Es geht nicht darum, einen Rosenkrieg anzuzetteln – sondern einzig und allein darum, die rechtmäßigen Ansprüche Ihres Mandanten möglichst gut zu wahren. Einvernehmen herzustellen hat immer erste Priorität – doch leider zeigt sich in der Praxis, dass Anspruchsgegner oft von vorneherein dicke Geschütze auffahren. Und für den Fall ist es gut, vorbereitet zu sein.

 

1. Zusammenarbeiten – das A und O beim Zugewinnausgleich

Teilen Sie alles, was Sie vorhaben, auch Ihrem Mandanten mit – und erklären Sie ihm die Gründe. Nur wenn Ihr Mandant versteht, warum Sie etwas machen, wird er Ihnen die Hinweise geben, die Sie für eine hieb- und stichfeste Taktik brauchen.

Die Voraussetzungen dafür sind gut. Erfahrungsgemäß arbeiten Mandanten beim Zugewinnausgleich gerne mit. Immerhin ist die Systematik relativ einfach zu verstehen. Ihren Mandanten wird im Normalfall schnell klar, wie der Zugewinnausgleich funktioniert. Machen Sie Ihren Mandanten deutlich: Jedes Detail bei den Vermögensverhältnissen kann in der Endabrechnung zählen.

2. Flexibel bleiben, hinterfragen

Sie haben eine hervorragende Idee, wie Sie die Ansprüche Ihres Mandanten sichern? Prima, werfen Sie sie in die Tonne!

Auch wenn das etwas zu krass ausgedrückt ist, dahinter steckt ein wahrer Kern: Im Laufe einer Angelegenheit tauchen immer wieder neue Fakten auf. Das bedeutet automatisch: Sie müssen Ihre Strategie immer wieder mit der neuen Sachlage abgleichen. Vieles, was sich zu Beginn als strategische Wunderwaffe anbietet, kann unter geänderten Voraussetzungen nach hinten losgehen.

Es lohnt sich also, wenn Sie Ihre Strategie im weiteren Verlauf der Sache immer wieder überprüfen und anpassen. Im Zusammenhang damit steht auch der nächste Tipp.

3. Abgestuftes Vorgehen

Empfehlenswert ist, sich zunächst ein sorgfältiges Bild über die Kenntnis Ihres Mandanten zu machen – beispielsweise über das Endvermögen des Gegners.

Wichtig! Geben Sie diese Informationen zunächst keinesfalls preis, da sie wunderbar dazu dienen können, den Wahrheitsgehalt der gegnerischen Auskunft zu überprüfen.

 

Beispiel

F kann beweisen, dass M im Endvermögen eine Lebensversicherung, ein Sparbuch und einen Fondssparplan hat, denn sie hat sich vor dem Auszug Kopien von den Unterlagen gefertigt, wovon M wiederum nichts weiß. M geht deshalb davon aus, dass F sich in vollständiger Beweisnot befindet. Er gibt in seiner Auskunft zum Endvermögen zwar verschiedene Positionen an, jedoch nicht die drei genannten.

Gehen Sie wie folgt vor:

Es wäre ein schwerer taktischer Fehler, den Besitz der Beweismittel zu offenbaren. Vielmehr ist zunächst nur zu rügen, dass die Lebensversicherung nicht angegeben ist und abzufragen, weshalb. M wird antworten, das sei ein Versehen, er habe es vergessen. Nunmehr ist aufzufordern, zu erklären, dass die Vermögensauskunft vollständig ist. M gibt diese Erklärung ab.

Jetzt ist er auf das Sparbuch hinzuweisen und wiederum abzufragen, weshalb die Angabe fehlt. Wenn M jetzt erneut angibt, dies vergessen zu haben und dass die Auskunft jetzt vollständig sei, ist die eidesstattliche Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB fällig unter Hinweis auf das Verschweigen des Fondssparplans.

 

4. Trennung hinausschieben

Auf den ersten Blick ein extremes Mittel, aber… aus vorstehenden Gründen kann es – vor allem wenn mit Unredlichkeiten und Illoyalitäten des Gegners zu rechnen ist – geboten sein, Ihrem Mandanten Folgendes zu raten:

Empfehlen Sie Ihrem Mandanten, die Trennung noch etwas hinauszuschieben und die Zwischenzeit zu nutzen, zuhause Erkenntnisse über das aktuelle Vermögen seines Ehegatten zu erlangen.

So ist z.B. erlaubt, Kontonummern oder Vertragsnummern von herumliegenden Auszügen oder Lebensversicherungen abzuschreiben. Natürlich ist der Mandant darauf hinzuweisen, dass er sich dabei nicht strafbar machen darf (Wegnahme von Unterlagen, Eindringen in geschlossene Behältnisse).

5. Verfahrensbe- und -entschleunigung

Das Interesse Ihres Mandanten kann z.B. darin liegen, das Ende des Trennungsunterhalts hinauszuschieben.

Hier eignet sich eine exzessive Auskunftstaktik. Sie sind dazu verpflichtet, Ihren Mandanten darauf hinzuweisen. Sie sind aber nicht dazu verpflichtet , etwa unter dem Gesichtspunkt der Wahrung Ihrer eigenen Interessen, etwa Ihres Ansehens, dabei über die von Ihnen für richtig gehaltene Grenze hinauszugehen. Damit riskieren Sie unter Umständen aber auch den Verlust des Mandats.

 

Beispiele

  • Isoliertes oder Verbundverfahren
  • Ausnutzung von Darlegungs- und Beweislast unter Einhaltung der verfahrensrechtlichen Wahrheitspflicht

Praxishinweis

Der Anwalt darf sich nicht dazu hergeben, die Beweisnot der Gegenseite auszunutzen und gegnerischen Vortrag zu bestreiten, obwohl dieser nach Auskunft des Mandanten richtig ist.

Beispiel

Die Gegenseite behauptet, ein Barvermögen von 10.000 € mit in die Ehe gebracht zu haben, kann es aber nicht beweisen. Der Mandant bestätigt diesen Vortrag. Er darf im Verfahren nicht bestritten werden.

 
Hier steht nicht nur die Anwaltszulassung, sondern auch der gute Ruf des Mandanten auf dem Spiel, zumal solche Mandanten natürlich gern herumerzählen, wie „clever“ sie und der eigene Anwalt waren und was dabei für sie herausgesprungen ist.

Solches widerspricht der Stellung des Anwalts als Organ der Rechtspflege. Im Zweifel ist es besser, solche Mandate zu beenden und auf die Gebühren zu verzichten, zumal der eigene Mandant dann zum ärgsten Feind wird, wenn die Gegenseite Strafanzeige erstattet und behauptet, der Rechtsanwalt sei in vollem Umfang eingeweiht gewesen.

6. Zugewinnausgleich: Struktur in die Mandatsführung!

Eine gute Strategie entsteht nicht durch Zufall, sondern durch eine strukturierte Bearbeitung des Mandats. In der Praxis hat sich folgende Vorgehensweise bewährt:

 

Übersicht Mandatsbearbeitung/Vorgehensweise

1. Erstberatung

  • Erläuterung der Struktur des Zugewinnausgleichs
  • Formulierung einer vorläufigen Strategie

2. Zeitgleich

  • schriftliche Anforderung der erforderlichen Informationen beim Mandanten
  • schriftliches Auskunftsverlangen an Gegner über dessen Anfangs-, End- und Vermögen zum Trennungszeitpunkt (falls erforderlich: gerichtlicher Auskunfts- oder Stufenantrag)

3. Ausführliches Mandantengespräch

  • Einstieg in die Anspruchsberechnung
  • Formulierung der weiteren Strategie

4. Anspruchsberechnung vorab an Mandanten und schriftliche Bestätigung der Richtigkeit und Vollständigkeit durch diesen

5. Danach: außergerichtliche Anspruchsgeltendmachung (Zahlungsaufforderung) an Gegner

6. Letztes Mandantengespräch im außergerichtlichen Stadium je nach bisheriger Entwicklung:

  • Gegner hat gezahlt (Erfüllung): abschließen, Kostenrechnung
  • Gegner hat nicht gezahlt, keine Erfolgsaussicht: abschließen, Kostenrechnung
  • Gegner hat nicht gezahlt, Erfolgsaussicht ja: Mandanten über Möglichkeiten des prozessualen Vorgehens beraten:

Möglichkeit 1:
Verbundantrag

Möglichkeit 2:
Isolierter Antrag, und in diesem Zusammenhang

  • Auskunftsantrag
  • Stufenantrag

7. Gerichtliche Anspruchsgeltendmachung
8. Zwangsvollstreckung

 

7. Weitere Erläuterungen zum Zugewinnausgleich

Die Berechnung des Zugewinnausgleichs beruht auf einem abgeschlossenen, in der Vergangenheit liegenden Lebenssachverhalt, nämlich dem Anfangs- und Endvermögen der Beteiligten zu den Stichtagen der §§ 1374 Abs. 1, 1375 Abs. 1 BGB.

Die Tatsachen stehen bereits objektiv fest, sie müssen nur noch ermittelt werden. Die Berechnung wird also nicht mehr (wie beim Unterhalt) durch nachträgliche Veränderungen beeinflusst.

Dieser Vorteil ist gleichzeitig ein Nachteil, denn bei langer Ehedauer greift die Sachverhaltsermittlung (Anfangsvermögen) weit in die Vergangenheit zurück. Daraus resultieren

  • Erinnerungsprobleme bei Ihrem Mandanten,
  • Beweisprobleme

Das bedeutet, Ihr Mandant wird insbesondere beide Anfangsvermögen oft nicht spontan wiedergeben können, sondern in Ruhe überlegen und ggf. recherchieren müssen,

  • welche Vermögensposition in beiden Anfangsvermögen überhaupt vorhanden waren,
  • welche Beweise dafür vorliegen bzw. noch beschafft werden können.

 

Praxishinweis

Komplexe Endvermögensbestände sind in der Erstberatung sicher nicht mit der erforderlichen Sicherheit deklarierbar. Es ist daher dringend abzuraten, gleich im Erstgespräch in die Anspruchsberechnung einzusteigen, es sei denn, die Anspruchslage ist offensichtlich.

Beispiel 1

Kein Ehepartner hat ein Endvermögen: Kein Zugewinnausgleich, auch nicht bei Schulden im Anfangsvermögen (wegen § 1378 Abs. 2 BGB).

Beispiel 2

Das Anfangsvermögen beider Ehegatten ist 0 €, im Endvermögen von M steht ausschließlich das unbelastete Familienheim mit 200.000 €, F hat kein Endvermögen: Anspruch F 100.000 €.

 
Im Zweifel sollten Sie sich im Erstgespräch auf Folgendes beschränken:

  • Ausfüllen einer Checkliste, mit der die ersten sachdienlichen Fakten für den Zugewinnausgleich festgehalten werden
  • Hinweis, dass Ihr Mandant ein ausführliches Schreiben zur Zuarbeit erhält („Hausaufgaben“ zur Klärung des Sachverhalts)
  • Kostenfragen
  • Hinweis auf mögliche Strategien (ohne diese festzulegen)

Bedenken Sie außerdem:

Die inneren Vorstellungen über das weitere Vorgehen bestehen bei Ihnen, zumindest bei der Erstberatung, aus den üblichen Routineüberlegungen.

Ihr Mandant ist jedoch mit Begriffen wie „Zugewinn“, „Endvermögen“, „privilegiertes Anfangsvermögen“ und „Stufenantrag“ anfangs völlig überfordert.

Erklären Sie Ihrem Mandanten jetzt kritisch, was Sie vorhaben, mit welchen konkreten Schritten es jetzt weitergeht und weshalb Ihr Mandant Ihnen zuarbeiten muss. Die Verwendung des Zauberworts „Strategie“ vermittelt Ihrem Mandanten was gemeint ist; die Strategie für den Zugewinnausgleich ist dann beim späteren ausführlichen Gespräch festzulegen und später gegebenenfalls anzupassen (s. oben unter Punkt 2).

3 Kommentare zu “Zugewinnausgleich: Auf die richtige Strategie kommt es an

  1. So einen … [Anm. d. Redaktion: Gekürzt; auch wenn Ihnen der Beitrag nicht gefällt, ist für Vulgärsprache hier kein Raum] zu veröffentlichen, um bewusst Ärger zu provozieren: „exzessive Auskunftstaktik; Hineintreiben in falsche eV“. Ihr Beitrag ist so unterirdisch. Da braucht man sich nicht wundern, wenn manche Kollegen, die sich wohl an Ihr Traktat gehalten haben, verachtet werden.

  2. Hier wird wie sooft die Unwissenheit der gegnerischen Seite vorausgesetzt und angenommen.
    Merke:
    Nicht alle sind dumm. Auch die gegnerische Seite weiß mitunter wie es geht und worauf es ankommt.
    Vorsicht ist hier die Elefantenmutter im Porzellanladen. Schon so manch ein Rechtsanwalt der nur auf Brago schielt und den Gegner unterschätz läuft Gefahr, selbst Fehler und Falschangaben seines Mandanten zu unterschätzen. Schriftliche Angaben vor Gericht haben schon so manch einem Möchtegern-König in die Schranken verwiesen.

  3. Ich denke, Familiengeschichten sind immer kompliziert. Wenn man also Geldgeschichten hinzufügt, ist es noch schlimmer. Es muss viel Geduld erfordern, um die Probleme von Gewinn und Erbschaft zu bewältigen.

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