Vertretung des Kindes im Vaterschaftsanfechtungsverfahren durch die allein sorgeberechtigte Mutter

Im Vaterschaftsanfechtungsverfahren ist die allein sorgeberechtigte Mutter von der gesetzlichen Vertretung des minderjährigen Kindes nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen. Für den Beginn der Anfechtungsfrist ist dann auf ihre Kenntnis abzustellen.

BGH, Beschl. v. 02.11.2016 – XII ZB 583/15

Sachverhalt: Im Dezember 2008 erkannte der dadurch rechtliche Vater des Antragstellers mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft an, obgleich beide wussten, dass er nicht der leibliche Vater ist. Im vorliegenden Verfahren hat der im September 2004 geborene Antragsteller, zunächst vertreten durch seine allein sorgeberechtigte Mutter, mit Antrag vom 29.02.2012 die Vaterschaft angefochten.

 

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Das OLG hat für den Antragsteller im Beschwerdeverfahren einen Ergänzungspfleger bestellt, der das Anfechtungsbegehren weiterverfolgt hat, und die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers, der an seinem Anfechtungsbegehren festhält.

Wann war die Frist für das Vaterschaftsanfechtungsverfahren abgelaufen?

Der BGH bestätigt die Antragszurückweisung durch die Vorinstanzen. Die Anfechtungsfrist war nach § 1600b BGB bei der Einreichung des Anfechtungsantrags im Jahr 2012 abgelaufen, weil die bei der Anerkennung der Vaterschaft im Jahr 2008 vorliegende Kenntnis der Mutter entsprechend § 166 Abs. 1 BGB dem Antragsteller zuzurechnen ist.

Entgegen der Auffassung des OLG war die Mutter jedoch nicht nach § 1629 Abs. 2, § 1795 Abs. 1 Nr. 3, § 181 BGB von der Vertretung des Antragstellers ausgeschlossen. Aus der notwendigen Beteiligung der Mutter am Abstammungsverfahren folgt kein solcher Ausschluss. Eine zwischen der Mutter und dem Antragsteller bestehende Interessenkollision begründet auch keine Ausnahme. Die allein sorgeberechtigte Mutter ist befugt, das Kind bei dessen Anfechtungsantrag gesetzlich zu vertreten.

Dies gilt auch bei einer Anfechtung durch die Mutter aus eigenem Recht. Dass dabei – anders als bei einer Anfechtung durch das Kind (vgl. § 1600a Abs. 4 BGB) – eine Kindeswohlprüfung vom Gesetz nicht vorgesehen ist, vermag keine materielle Gegnerstellung von Mutter und Kind zu begründen und verhindert – übereinstimmend mit der Rechtslage vor der FGG-Reform – die gesetzliche Vertretung durch die Mutter nicht.

Folgerungen zu § 1600b BGB aus der Entscheidung

Nach § 1600b Abs. 1 Satz 1 BGB kann die Vaterschaft binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt gem. § 1600b Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz BGB zu dem Zeitpunkt, zu dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen. Im Fall einer durch eine Anerkennung begründeten Vaterschaft beginnt die Frist nicht vor dem Wirksamwerden der Anerkennung, § 1600b Abs. 2 BGB.

Ist das Kind nicht voll geschäftsfähig, kommt es für die den Fristlauf auslösende Kenntnis nach § 1600b Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz BGB nach den allgemeinen Grundsätzen auf die Person des gesetzlichen Vertreters an, der berechtigt ist, das Kind im Anfechtungsverfahren zu vertreten (zum Beginn der Verjährung: BGH, Beschl. v. 23.09.2004 – IX ZR 421/00 und Beschl. v. 16.05.1989 – VI ZR 251/88, zur gemeinsamen elterlichen Sorge: OLG Koblenz, Beschl. v. 04.02.2015 – 13 WF 56/15).

Die Wissenszurechnung ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB. Dass das Wissen des gesetzlichen Vertreters dem minderjährigen Kind zuzurechnen ist, wird von der gesetzlichen Regelung zum Abstammungsrecht vorausgesetzt, was insbesondere aus der in § 1600b Abs. 3 BGB enthaltenen Bestimmung und dem in § 1600b Abs. 5 Satz 3 BGB enthaltenen Verweis auf § 210 BGB deutlich wird.

Nach § 1600a Abs. 3 BGB kann für ein geschäftsunfähiges oder in der Geschäftsfähigkeit beschränktes Kind nur der gesetzliche Vertreter die Vaterschaft anfechten. Die Entscheidung darüber, ob die Vaterschaft im Namen des Kindes angefochten werden soll, gehört zur Personensorge (§ 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB) und steht somit dem Inhaber der elterlichen Sorge zu.

Wenn die Mutter mit dem rechtlichen Vater verheiratet ist, ist sie von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen (BGH, Beschl. v. 21.03.2012 – XII ZB 510/10 und OLG Koblenz, a.a.O.). Das Gleiche muss gelten, wenn die Mutter mit dem Vater nicht verheiratet, aber gemeinsam sorgeberechtigt ist (Nickel, jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 1600 Rdnr. 31). In diesen Fällen ist ein Ergänzungspfleger zu bestellen.

Praxishinweis: Im Vaterschaftsanfechtungsverfahren ist der anfechtende (rechtliche) Vater von der gesetzlichen Vertretung des minderjährigen Kindes ausgeschlossen (BGH, a.a.O. und OLG Koblenz, a.a.O.).

Wurde für das Kind ein Ergänzungspfleger bestellt, ist dies in verfahrensrechtlicher Hinsicht ordnungsgemäß. Denn die Bestellung eines Ergänzungspflegers ist unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit wirksam (BGH, Beschl. v. 18.02.2009 – XII ZR 156/07). Es braucht (an dieser Stelle) nicht geprüft zu werden, ob der sorgeberechtigte Elternteil tatsächlich von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen war (wohl aber bei der Zurechnung der Kenntnis entsprechend § 166 Abs. 1 BGB).

2 Kommentare zu “Vertretung des Kindes im Vaterschaftsanfechtungsverfahren durch die allein sorgeberechtigte Mutter

  1. Diese Entscheidung ist ein eklatantes Fehlurteil! Die Gesetzesauslegung ist nicht unbedingt vom Gesetzeswortlaut gedeckt. Allerdings werden mit diesem Urteil zahlreiche Kinder rechtlos gestellt. Insbesondere haben diese Kinder aufgrund der geltenden Verjährungsvorschriften auch keine Möglichkeiten, die Fehlentscheidung des jeweiligen Erziehungsberechtigten zu korrigieren! Es ist bedauerlich, dass die Richter des BGH in diesem Fall nicht weiter gedacht haben! Sonst wären sie womöglich doch zu einem anderen Ergebnis gekommen, zumal die gesetzlichen Vorschriften unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten zulassen.

  2. Guten Tag,

    ein rechtswidriger Schlüssel wurde somit geschaffen ,sogar ein Retortenkind mit Zustimmung beider verheirateter Eltern , den rechtlichen Vater aus der rechtlichen Vaterschaft zu entfernen, um sich an einem unfreiwilligen Samenspender bereichern zu können. Dies ist in meinem Fall bewiesen worden, wird jedoch vom Familiengericht Düsseldorf ignoriert: Zwangsfeststellung ist die Antwort.
    Der o.g. Fehler ist hier eingetreten.

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