Auskunftspflicht des Elternteils, der freiwillig den vollen Kindesunterhalt zahlt

Eigentlich eine runde Sache: Ein Vater übernimmt aus freien Stücken den vollen Ausbildungsunterhalt für sein volljähriges Kind. Die Mutter des Kindes verlangt dennoch Auskunft über seine Einkünfte. Mit Recht? Stichwort: Auskunftspflicht.

Der Fall

Die geschiedenen Ehepartner regeln in einer Unterhaltsvereinbarung, dass der Vater den Unterhalt für die beiden Kinder alleine zahlt.

Seit der Volljährigkeit der Kinder übernimmt der Vater auch den Ausbildungsunterhalt im vollen Umfang. Die Mutter verlangt von ihm Auskunft über seine Einkünfte.

 

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH verneint das Bestehen einer Auskunftspflicht:

Leistet ein geschiedener Elternteil aus freien Stücken den vollen Ausbildungsunterhalt für sein volljähriges Kind, ist er, solange er gegenüber dem anderen Elternteil keinen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch verfolgt, diesem gegenüber nicht zur Auskunft über seine Einkünfte verpflichtet (BGH, Beschl. v. 17.04.2013 – XII ZB 329/12, DRsp-Nr. 2013/8209).

Der BGH begründet seine Entscheidung wie folgt:

1. Anteilige Haftung der Eltern für den Ausbildungsunterhalt

Die Eltern haften für den Ausbildungsunterhalt gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen.

Wird ein Elternteil von einem gemeinschaftlichen Kind auf Unterhalt in Anspruch genommen, stellt sich die Frage der Berechnung des Haftungsanteils – sofern auch der andere Einkommen erzielt und dem volljährigen Kind Unterhalt gewähren könnte, ohne seinen eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden.

2. Auskunftsanspruch des in Anspruch genommenen Elternteils

Der in Anspruch genommene Elternteil ist zur Berechnung seines Haftungsanteils nur in der Lage, wenn ihm die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des anderen Elternteils bekannt sind.

Das zwischen den Eltern gem. § 1606 Abs. 3 BGB bestehende besondere Rechtsverhältnis reicht danach grundsätzlich aus, um einen Auskunftsanspruch zu begründen (BGH, Urt. v. 09.12.1987 – IVb ZR 5/87, DRsp-Nr. 1992/2770).

3. Dogmatische Herleitung aus der besonderen Rechtsbeziehung

Der BGH hat diese Auskunftspflicht der Elternteile untereinander als Folge der zwischen ihnen bestehenden besonderen Rechtsbeziehung als Eltern aus § 242 BGB hergeleitet.

Denn nach ständiger Rechtsprechung besteht nach Treu und Glauben dann ein Auskunftsanspruch,

  • wenn zwischen den Beteiligten besondere rechtliche Beziehungen vertraglicher oder außervertraglicher Art bestehen,
  • die es mit sich bringen, dass der Auskunft Begehrende entschuldbar über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Unklaren und deshalb auf die Auskunft des Verpflichteten angewiesen ist,
  • während dieser die Auskunft unschwer erteilen kann und dadurch nicht unbillig belastet wird.

(BGH, Urt. v. 09.11.2011 – XII ZR 136/09, DRsp-Nr. 2011/21576)

4. Familienrechtliche Auskunftspflichten nicht abschließend

Dieser Grundsatz gilt trotz der Sonderbestimmungen (vgl. §§ 1580 und 1605 BGB) nach wie vor auch im Familienrecht.

Die §§ 1580 und 1605 BGB regeln nur einen Teilbereich, in dem der Gesetzgeber die gegenseitigen Rechte und Pflichten präzisieren wollte.

Dadurch wird aber eine in besonderen Fällen aus § 242 BGB herzuleitende Informationspflicht nicht ausgeschlossen (BGH, Urt. v. 09.12.1987 – IVb ZR 5/87, DRsp-Nr. 1992/2770 m.w.N.).

5. Gerechte Verteilung der Unterhaltslast im Innenverhältnis

Ebenso kann die Auskunft erforderlich sein, um einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch zu berechnen, den der BGH angenommen hat, um die Unterhaltslast gegenüber Kindern auch im Innenverhältnis zwischen den Eltern entsprechend ihrem Leistungsvermögen gerecht zu verteilen.

(BGH, Urt. v. 09.12.1959 – IV ZR 178/59, BGHZ 31, 329, 332 und Urt. v. 26.06.1968 – IV ZR 601/68, BGHZ 50, 266, 270)

Denn auch die Höhe des Ausgleichsanspruchs richtet sich nach den Haftungsanteilen der Eltern, die nur in Kenntnis beider Einkommensverhältnisse berechnet werden können.

6. Kein Auskunftsanspruch bei freiwilliger Leistung vollen Unterhalts

Der BGH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 09.12.1987 – IVb ZR 5/87, DRsp-Nr. 1992/2770) offen gelassen, ob der Auskunftsanspruch auch dann besteht, wenn der in Anspruch Genommene dem Kind aus freien Stücken vollen Unterhalt leistet und sich nicht darauf beruft, den Unterhalt nur teilweise zu schulden.

Dies verneint der BGH jetzt.

7. Keine Unklarheit über bestehende Rechte

Der aus Treu und Glauben begründete Auskunftsanspruch setzt voraus, dass der Auskunft Begehrende über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Unklaren und deshalb auf die Auskunft des Verpflichteten angewiesen ist.

Nur unter dieser Voraussetzung ist es gerechtfertigt, den anderen Elternteil mit Auskunftspflichten in Bezug auf seine Einkommensverhältnisse zu belegen.

Leistet ein Elternteil jedoch den vollen Kindesunterhalt aus freien Stücken, ohne auf den anderen Elternteil Rückgriff nehmen zu wollen, fehlt es an einer den Auskunftsanspruch rechtfertigenden Unklarheit über bestehende Rechte.

Eine solche besteht weder über einen gegen die Mutter zu richtenden Unterhaltsanspruch noch über einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch des anderen Elternteils.

Denn für beide Ansprüche sind die Voraussetzungen in solchen Fällen nicht gegeben.

8. Kein weiterer Unterhaltsanspruch gegen die Mutter

Eine Unterhaltsverpflichtung der Mutter gegenüber den gemeinschaftlichen Kindern besteht nicht. Denn deren laufender Bedarf wird bereits vollständig durch die bereitwilligen und vorbehaltlosen Leistungen des Vaters gedeckt.

Ein darüber hinausgehender ungedeckter Unterhaltsbedarf besteht nicht. Somit besteht auch kein weiterer Unterhaltsanspruch der gemeinschaftlichen Kinder gegen die Mutter.

Ein solcher ist von den Kindern auch nicht geltend gemacht worden (vgl. § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB).

9. Kein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch für die Vergangenheit

Bei den mithilfe des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs geforderten Ersatzbeträgen handelt es sich – wirtschaftlich gesehen – allerdings um rückständige Unterhaltsleistungen.

Es sind Geldleistungen, die demjenigen zu erbringen sind, der die Unterhaltslast zunächst auf sich genommen hat.

Daher besteht der Anspruch für die Vergangenheit nur in den Grenzen des § 1613 BGB (BGH, Urt. v. 09.05.1984 – IVb ZR 84/82, DRsp-Nr. 1992/4908).

Der leistende Elternteil könnte den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch also erst ab seiner Aufforderung zur Auskunft über Einkünfte und Vermögen, ab Verzug oder ab Rechtshängigkeit beanspruchen.

Solche rechtswahrenden Handlungen wurden jedoch bisher nicht vorgenommen, so dass jedenfalls für die vergangenen Zeiträume kein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch besteht.

 

Praxishinweise

1. Schlüssiger Antrag
Bei beiderseitiger Barunterhaltspflicht haften die Eltern nicht als Gesamtschuldner, sondern als Teilschuldner und somit nur für den auf sie entfallenden Teil des Unterhalts.

Zu einem schlüssigen Antrag gehört daher auch die Darlegung, welcher Haftungsanteil auf den in Anspruch genommenen Elternteil entfällt (OLG Bremen, Beschl. v. 29.06.2011 – 4 WF 51/11, DRsp-Nr. 2011/13447; OLG Düsseldorf, = ZFE 2003, 154).

2. Ohne Ausgleich keine Auskunft
Ein Auskunftsanspruch ist kein Selbstzweck, sondern dient der Berechnung und somit letztlich der Durchsetzung eines zugrunde liegenden Anspruchs. Wenn aber – wie hier – kein Ausgleichsanspruch besteht, ist für einen Auskunftsanspruch kein Raum.

3. Weitere Konstellationen ohne Auskunftsanspruch
Dieser allgemeine Rechtsgedanke findet sich auch in anderen Zusammenhängen. So wird eine Auskunft nicht geschuldet, wenn feststeht, dass sie den Unterhaltsanspruch unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann (BGH, Urt. v. 22.06.1994 – XII ZR 100/93, DRsp-Nr. 1994/3042 und Urt. v. 21.04.1993 – XII ZR 248/91, DRsp-Nr. 1993/2689).

Das ist z.B. der Fall, wenn der Bedarf des Unterhaltsberechtigten vollständig durch eigene Einkünfte gedeckt wird (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.09.1997 – 1 UF 12/97, DRsp-Nr. 1999/1201).

Wenn ein wirksamer Unterhaltsverzicht vorliegt, besteht ebenfalls keine Auskunftspflicht (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 14.02.2002 – 6 WF 114/01, DRsp-Nr. 2003/11324).

Auch kann eine Auskunft nicht verlangt werden, wenn der Auskunftsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst hat (BGH, Urt. v. 22.06.1994 – XII ZR 100/93, DRsp-Nr. 1994/3042).

Ebenso scheidet eine Auskunftspflicht aus, wenn der Unterhaltspflichtige seine uneingeschränkte Leistungsfähigkeit eingesteht.

Zum familienrechtlichen Ausgleichsanspruch siehe auch OLG Nürnberg, Beschl. v. 24.10.2012 – 7 UF 969/12, DRsp-Nr. 2012/21545.

 

Weiterer Aufsicht führender Richter am AG Dr. Wolfram Viefhues, Oberhausen