Privilegierung von Unterhaltsansprüchen bei der Vollstreckung in Einkommen

Der Gesetzgeber hat den Unterhaltsgläubigern im Rahmen der Zwangsvollstreckung eine Reihe von Vergünstigungen eingeräumt, da Unterhaltsgläubiger den Unterhalt zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensbedarfs i.d.R. dringend benötigen.

In der Regel wird eine Vollstreckung in Arbeitseinkommen des Unterhaltsschuldners die größte Erfolgsaussicht haben. Dabei ist § 850d ZPO zu beachten. Nach dieser Vorschrift werden Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615l, 1615n BGB einem Elternteil zustehen, bevorzugt.

Arbeitseinkommen und die Bezüge gem. § 850a Nr. 1, 2 und 4 ZPO sind ohne die in § 850c ZPO genannten Beschränkungen pfändbar. Diese Einkünfte unterliegen mithin einem erweiterten Vollstreckungszugriff, wenn es um die Vollstreckung von Unterhalt geht.

Anforderungen an den Unterhaltstitel

Die Privilegierung gilt auch, wenn der Unterhaltsanspruch auf Dritte übergegangen ist (vgl. z.B. für den Übergang auf die Unterhaltsvorschusskasse BGH v. 17.09.2014 – VII ZB 21/13, FamRZ 2014, 1918).

Um den Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung zu erbringen, muss der Gläubiger einen Titel vorlegen, aus dem sich ergibt, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art vorliegt.

Ein Vollstreckungsbescheid vermag einen solchen Nachweis nicht zu erbringen, selbst wenn darin eine Anspruchsgrundlage genannt ist, denn diese Angaben beruhen allein auf einer Angabe des Gläubigers, die bei einem Vollstreckungsbescheid vor der Titulierung nicht geprüft wird (BGH v. 06.04.2016 – VII ZB 67/13, FamRZ 2016, 1080).

Etwas anderes gilt jedoch inzwischen, wenn das Land die Vollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid infolge der Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen übergegangener Unterhaltsansprüche betreibt.

Durch die neu geschaffene Regelung des § 7 Abs. 5 UVG wird der Nachweis, dass es sich um einen Unterhaltsanspruch i.S.v. § 850d Abs. 1 ZPO handelt, fingiert, wenn dem Vollstreckungsantrag der UVG-Bescheid beigefügt wird.

Bemessung der Grenze der Unpfändbarkeit

Nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO ist dem Unterhaltsschuldner lediglich so viel zu belassen, dass er aus diesen Mitteln seinen eigenen und den Unterhalt derjenigen Unterhaltsberechtigten sicherstellen kann, die dem Vollstreckenden vorgehen oder im Rang gleichstehen.

§ 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO greift nur auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers. Das Vollstreckungsgericht legt dann betragsmäßig oder nach Quoten fest, wie viel dem Schuldner für seinen eigenen Unterhalt und zur Befriedigung der Unterhaltsansprüche, die dem vollstreckenden Unterhaltsberechtigten vorgehen oder gleichstehen, verbleiben darf.

Zu der Frage, wie der unpfändbare notwendige Unterhalt des Schuldners i.S.d. § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO zu bemessen ist, hat der BGH eine neue Grundsatzentscheidung getroffen (BGH v. 05.07.2018 – XII ZB 40/17, FamRZ 2018, 1687).

Danach entspricht der zu belassende Sockelbetrag grundsätzlich dem notwendigen Lebensunterhalt i.S.d. 3. und 11. Kapitels des SGB XII (im Anschluss an BGH v. 25.11.2010 – VII ZB 111/09, FamRZ 2011, 208).

Dabei ist die Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft nach den konkreten Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten konkret zu ermitteln, wobei vorrangig das ortsübliche Mietpreisniveau, wie es sich aus einem qualifizierten Mietspiegel (§ 558d BGB), einem Mietspiegel (§ 558c BGB) oder unmittelbar aus einer Mietdatenbank (§ 558e BGB) ableiten lässt, heranzuziehen ist (im Anschluss an BGH v. 23.07.2009 – VII ZB 105/08, FamRZ 2009, 1747).

Wenn der Schuldner mit anderen Personen in einer Wohnung zusammenlebt und die von ihm aufgewendeten Kosten für Unterkunft und Heizung nicht nur seinen eigenen Wohnbedarf, sondern zugleich den Wohnbedarf dieser Personen decken, ist die Höhe des angemessenen Bedarfs des Schuldners für Unterkunft und Heizung fiktiv nach den Kosten zu ermitteln, die der Schuldner nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Deckung seines eigenen Wohnbedarfs aufwenden müsste.

Das sozialrechtliche Kopfteilprinzip (BSG v. 22.08.2013 – B 14 AS 85/12 R, NZM 2014, 681) ist im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren im Rahmen des § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht anzuwenden.

Einschränkungen bei rückständigem Unterhalt

Dem Pfändungsprivileg des § 850d Abs. 1 ZPO unterfallen auch rückständige Unterhaltsforderungen, sofern sie nicht länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind.

Solche länger als ein Jahr vor diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Rückstände sind nur dann bevorrechtigt, wenn sich der Schuldner seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat (§ 850d Abs. 1 Satz 4 ZPO). Ist dies nicht der Fall, kann der Gläubiger diese Rückstände nur im Rahmen der – auch für sonstige Gläubiger geltenden – Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO vollstrecken.

Hinweis: Wenn der Anwalt es unterlassen hat, rechtzeitig einen Pfändungsbeschluss zu beantragen, und deshalb die Privilegierung des § 850d Abs. 1 ZPO für länger als ein Jahr zurückliegende Unterhaltsansprüche verlorengegangen ist, kann dies zur Anwaltshaftung führen (OLG Koblenz v. 13.09.2017 – 13 W 371/17, FamRZ 2018, 941).

Allerdings ist der Unterhaltsgläubiger auch hinsichtlich überjähriger Rückstände insoweit begünstigt, als der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass er sich nicht absichtlich seiner Zahlungspflicht entzogen hat.

Denn eine Absicht des Schuldners, sich der Zahlungspflicht zu entziehen, ist bereits dann anzunehmen, wenn er trotz Zahlungsfähigkeit keinen Unterhalt geleistet hat (BGH v. 21.12.2004 – IXa ZB 273/03, FamRZ 2005, 440). Es reicht daher aus, wenn der Gläubiger darlegt, dass der Schuldner in dem Zeitraum zahlungsfähig war und dennoch keinen Unterhalt geleistet hat.

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