Das neue Sorgerecht nimmt immer konkretere Formen an: Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger verkündete am 04.07.2012 den Kabinettsentwurf des neuen Gesetzes, das die Rechte von unverheirateten Vätern stärken soll. Dabei wurden einige Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf deutlich.
Die Sorgerechtsreform trägt einem neuen Leitbild der elterlichen Sorge Rechnung
Immer mehr Eltern sind nicht miteinander verheiratet: Von 1995 bis 2010 hat sich der Anteil der nicht ehelich geborenen Kinder auf etwa 33% verdoppelt. Ein modernes Sorgerecht soll diesem Trend gerecht werden.
Die Sorgerechtsreform soll nämlich unverheirateten Vätern den Zugang zum Sorgerecht erleichtern. Der Ausgangsgedanke: Für ein Kind sind beide Eltern wichtig – egal ob verheiratet oder nicht.
Nach der Sorgerechtsreform sollen deshalb grundsätzlich beide Eltern die Sorge gemeinsam tragen – solange das Kindeswohl dem nicht entgegensteht. Der unverheiratete Vater kann die Mitsorge auch dann bekommen, wenn die Mutter nicht einverstanden ist.
Das neue Sorgerecht – schneller, gerechter und unbürokratisch
Der Kern des neuen Sorgerechts: Der unverheiratete Vater kann beim Familiengericht gemeinsames Sorgerecht beantragen. Äußert sich die Mutter nicht zum Antrag, gewährt das Gericht dem Vater die Mitsorge in einem vereinfachten und beschleunigten Verfahren. Gleiches gilt, wenn die Mutter sich zwar zum Sorgerechtsstreit äußert, dabei aber lediglich Gründe vorträgt, die erkennbar nichts mit dem Kindeswohl zu tun haben.
Das gemeinsame Sorgerecht ist also nur dann nicht zu erteilen, wenn sie dem Kindeswohl entgegensteht. Sind dem Gericht keine Gründe dafür bekannt, teilt es dem Vater in der Regel die Mitsorge zu.
Von am anderen Ende betrachtet: Das normale familiengerichtliche Verfahren findet in Sorgerechtsstreitigkeiten nur dann statt, wenn Kindeswohlfragen zu klären sind (negative Kindeswohlprüfung).
Gemeinsames Sorgerecht beantragen: Die Kernpunkte der Sorgerechtsreform
Das Sorgerechtsverfahren soll in Zukunft so ablaufen:
Verfahren nach Sorgerechtsreform, Stufe 1
Ist die Mutter mit der gemeinsamen Sorge nicht einverstanden, kann der Vater zum Jugendamt gehen, um doch noch auf eine Einigung mit der Mutter hinzuarbeiten. Daneben hat der Vater aber jederzeit die Wahl, das Familiengericht direkt anzurufen, um gemeinsames Sorgerecht zu beantragen.
Verfahren nach Sorgerechtsreform, Stufe 2
Im gerichtlichen Verfahren ums Sorgerecht hat die Mutter Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Frist dafür endet frühestens sechs Wochen nach der Geburt. Dadurch soll verhindert werden, dass die Mutter ihre Erklärung noch unter dem Eindruck der Geburt abgeben muss.
Verfahren nach Sorgerechtsreform, Stufe 3
Das Familiengericht entscheidet in einem beschleunigten und vereinfachten Verfahren. Äußert sich die Mutter in diesem Sorgerechtsverfahren nicht, oder nennt sie nur Gründe, die mit dem Kindeswohl erkennbar nichts zu tun haben, kann das Gericht auf eine persönliche Anhörung der Eltern oder des Jugendamtes verzichten. Auch darüber hinaus dürfen dem Gericht keine Gründe bekannt sein, die dem Kindeswohl widersprechen. Eine umfassende gerichtliche Prüfung soll nur dann erfolgen, wenn sie zum Schutz des Kindes tatsächlich nötig ist.
Verfahren nach Sorgerechtsreform, Stufe 4
Das Familiengericht erteilt dem Vater regelmäßig das Sorgerecht, solange dies dem Kindeswohl nicht entgegensteht (negative Kindeswohlprüfung).
Verfahren nach Sorgerechtsreform, Stufe 5
Der Vater hat nach der Sorgerechtsreform die Möglichkeit, die Alleinsorge auch ohne Zustimmung der Mutter zu bekommen. Voraussetzung: Eine gemeinsame elterliche Sorge kommt nicht in Betracht – und es ist zu erwarten, dass das alleinige väterliche Sorgerecht dem Kindeswohl am besten entspricht
Sorgerechtsreform: Kabinettsentwurf vs. Referentenentwurf
Der einvernehmliche Wechsel der Alleinsorge von der Mutter auf den Vater hat im Rahmen der Sorgerechtreform für Diskussionen gesorgt. Das Kabinett hat sich nun dafür entschieden, die derzeit gültige Regel nicht zu ändern. Demnach muss bei Einvernehmen der Eltern über den Wechsel der Alleinsorge eine gerichtliche Kontrolle erfolgen.
Der Grund: Der vollständige Austausch des Sorgeberechtigten ist für das Kind in der Regel eine einschneidende Veränderung. Der Vater, der bisher die Sorge überhaupt nicht getragen hat, soll nun alleine für das Kind verantwortlich sein.
Dennoch wird der § 1672 BGB nach dem Leitbild des neuen Sorgerechts angepasst. In Zukunft soll auch in dieser gerichtlichen Kontrolle über den Wechsel des Sorgerechts eine negative Kindeswohlprüfung stattfinden.
Es ist also nicht mehr erforderlich, dass der Wechsel der Sorge das Kindeswohl fördert – er darf ihm nur nicht entgegenstehen.
Weitere Unterschiede des Regierungsentwurfs zur Sorgerechtsreform im Gegensatz zum Referentenentwurf:
- Der Antrag auf Übertragung der gemeinsamen Sorge muss dem anderen Elternteil zugestellt werden
- Der Antragsteller muss den Geburtsort des Kindes angeben, um der mitteilungspflichtigen Stelle die Ermittlung des Geburtsjugendamtes zu erleichtern.
- Im normalen, nicht vereinfachten Verfahren soll grundsätzlich auf Einvernehmen hingewirkt werden.
Für Ihre Mandanten, die das gemeinsame Sorgerecht beantragen möchten, kommen also einige Änderungen zu. Wir beobachten weiter für Sie, was im Gesetzgebungsverfahren zur Sorgerechtsreform passiert.
Sorgerechtsreform: Betroffene Paragraphen im BGB:
§§ 1626a, 1626b, 1671, 1672, 1680, 1696, 1747, 1748 und 1751 BGB
Quelle: Pressemitteilung BMJ v. 04.07.2012
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Hallo. Ich hätte dazu eine Frage.
Gilt das gleiche auch im Falle einer späteren Vaterschafts Anerkennung und durch das Gericht festgestellten Vaterschaftstest?
Lieben Gruß M. Deutscher