BGH zur Präklusion in Unterhaltsabänderungsverfahren

In unserem letzten Beitrag vom 19.03.2010 haben wir Ihnen das dem Einwand der Unterhaltsbefristung gem. § 1578b BGB immanente Haftungsrisiko aufgezeigt.

BGH hält anwaltlichen Vortrag für präkludiert
Sie erinnern sich: Der Rechtsanwalt ist nicht nur gehalten, möglichst umfänglich zu den Gründen einer Befristung vorzutragen, er sollte dies auch frühzeitig tun. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Gericht im Rahmen eines späteren Unterhaltsabänderungsverfahrens den Einwand des Unterhaltspflichtigen, die Unterhaltsberechtigte habe keine ehebedingten Nachteile erlitten, nicht zulässt. So geschehen im Urteil des BGH v. 27.01.2010 — XII ZR 100/08.

Bemerkenswert ist insoweit, dass der zu überprüfende Unterhaltstitel aus einer Zeit stammte, in der es für die zeitliche Beschränkung eines nachehelichen Aufstockungsunterhalts weniger auf ehebedingte Nachteile als auf die Dauer der Ehe ankam. Dennoch war der Unterhaltsberechtigte mit seinem Einwand präkludiert.

 

Tipp
Für die anwaltliche Beratung ist sehr wichtig, dass bereits im Ausgangsverfahren alle Tatsachen vorgetragen werden müssen, die eine Beschränkung des nachehelichen Unterhalts rechtfertigen könnten. Wer dies versäumt, kann sich als Rechtsanwalt schadensersatzpflichtig machen, wenn der Unterhaltspflichtige aufgrund des versäumten Vortrags in einem Unterhaltsabänderungsverfahren mit einem Einwand nicht mehr gehört werden darf.

 

Gründe für eine Präklusion
Nach § 238 Abs. 2 FamFG (siehe auch § 323 Abs. 2 ZPO a.F.) kann ein Abänderungsantrag nur auf Gründe gestützt werden, die nach dem Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht mehr möglich war. Über eine derartige Präklusion hatte der BGH in dem Urteil vom 27.01.2010 zu entscheiden.

Zunächst stellt der BGH klar, dass eine wesentliche Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse im Sinne des § 238 FamFG bzw. § 323 ZPO a.F. sich auch aus einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergeben kann.

So hat der BGH mit Urteil v. 12.04.2006 — XII ZR 240/03 seine Rechtsprechung dahin geändert, dass es bei der schon nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. anzustellenden Billigkeitsabwägung bei der Befristung eines Aufstockungsunterhaltsanspruchs nicht mehr vorrangig auf die Dauer der Ehe ankam, sondern auf etwaige dem Unterhaltsberechtigten entstandene ehebedingte Nachteile.

Hatte ein Unterhaltspflichtiger in einem Unterhaltsverfahren vor diesem Urteil aufgrund einer langen Ehedauer darauf verzichtet, eine Befristung des Aufstockungsunterhalts geltend zu machen, kann er diesen Einwand in einem Unterhaltsabänderungsverfahren grundsätzlich auch dann geltend machen, wenn die entsprechenden Tatsachen bereits zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorverfahren bekannt waren und nicht vorgetragen wurden.

Obwohl das abzuändernde Urteil v. 25.05.2005 stammte und die geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung wie auch der neu gefasste § 1578b BGB eine wesentliche Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse begründeten, kam der BGH zu dem Ergebnis, dass der Unterhaltspflichtige mit seinem Einwand, die Unterhaltsberechtigte habe keine ehebedingten Nachteile erlitten, präkludiert sei.

Fehlende Anrechnung fiktiver Einkünfte
Im Rahmen eines Aufstockungsunterhaltsanspruchs musste sich ein Unterhaltsberechtigter schon nach altem Recht die Einkünfte anrechnen lassen, die er im Rahmen einer ihm zumutbaren Erwerbstätigkeit hätte erzielen können. Wurden bei der Unterhaltsberechnung nach altem Recht der Unterhaltsberechtigten nur die von ihr tatsächlich erzielten Einkünfte zu Grunde gelegt, obwohl in ihrem erlernten Beruf mehr gezahlt wird, wurde zugleich festgestellt, dass die Unterhaltsberechtigte aufgrund der Gestaltung der Ehe nicht verpflichtet war bzw. keine Chance mehr hatte, in ihrem ursprünglich erlernten Beruf zu arbeiten. Damit wurde in dem Ausgangsverfahren rechtskräftig festgestellt, dass die Unterhaltsberechtigte durch die Gestaltung der Ehe Nachteile erlitten hat. In dem Unterhaltsabänderungsverfahren kann der Unterhaltspflichtige dann nicht mehr einwenden, die Unterhaltsberechtigte hätte in ihrem ursprünglich erlernten Beruf zurückkehren können und könnte dort mittlerweile genauso viel verdienen wie sie ohne die Ehe verdienen würde.

Fazit
Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Präklusion in Unterhaltsabänderungsverfahren nicht unterschätzt werden darf. § 238 Abs. 2 FamFG ist von Amts wegen von den Familiengerichten zu beachten und sollte im Rahmen der anwaltlichen Beratung immer schon in den Ausgangsverfahren beachtet werden.
Alle denkbaren Einwände sind im Rahmen einer anwaltlichen Beratung in Unterhaltsverfahren zu berücksichtigten und entsprechende Tatsachen sollten vorgetragen werden. Im nachehelichen Ehegattenunterhaltsrecht gilt dies insbesondere für alle Tatsachen, die eine zeitliche Begrenzung des Unterhalts nach § 1578b BGB begründen könnten.

von: Richter am Amtsgericht Stefan Knoche

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