Rom III-Verordnung – altes vs. neues Recht

Im letzten Teil unserer IPR-Serie machen wir Sie mit den Übergangsvorschriften der neuen Rom III-Verordnung (EU Verordnung 1259/2010) vertraut – und stellen in ausgesuchten Beispielfällen altes und neues Recht gegenüber.

Nach der Übergangsbestimmung des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 gilt die Rom III-Verordnung für alle gerichtlichen Verfahren, die seit dem 21. Juni 2012 eingeleitet wurden.

Dieses Datum ist noch nicht lange her. Nicht unwahrscheinlich also, dass Sie es noch mit dem ein oder anderen Altfall zu tun haben.

Und für diese gilt auch nach dem Stichtag Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB. Das bedeutet: Die Scheidung Ihres Mandanten wird nach dem Recht beurteilt, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit für die allgemeinen Wirkungen im Sinne von Art. 14 EGBGB maßgebend ist.

Die alten Vorschriften dürfen Sie deshalb leider noch nicht ganz aus den Augen verlieren. Mit unseren Praxishinweisen und Fallbeispielen zeigen wir Ihnen, worauf Sie in der Übergangszeit besonders achten müssen.

Um den Blick aber doch in die Zukunft – sprich auf Ihre neuen internationalen Scheidungsfälle – zu richten, zeigen wir Ihnen auch, was die Rom III-Verordnung jeweils ändert.

 

1) Rom III-Verordnung in der Übergangsphase: Gemeinsame Staatsangehörigkeit

Nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB kommt primär das gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten zur Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn bei der Eheschließung ein gemeinsames Heimatrecht bestanden hat, danach aber ein Ehepartner die Staatsangehörigkeit gewechselt hat.

 

Beispielsfall
Fabienne und Pierre haben als französische Staatsangehörige die Ehe in Cannes geschlossen und leben nun in Stuttgart. Fabienne hat in der Zwischenzeit die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen.

Trotzdem gilt nach alter Rechtslage weiterhin französisches Recht.

Was ändert sich durch Rom III? Bei einer Rechtswahl der Eheleute nach Art. 5 Rom III-VO kommt alternativ deutsches (Buchstaben a), c) oder d)) oder französisches Recht (Buchstabe c)) zur Anwendung.

Bei fehlender Rechtswahl gilt über Art. 8a Rom III-VO nur deutsches Recht.

 
Die Problematik der Rückverweisung

Zurück zum alten Recht: Die Regel, dass das gemeinsame Heimatrecht auch beim Wechsel der Staatsangehörigkeit eines Ehepartners  gilt,  kennt bedeutende Ausnahmen.

Denn: Mit der Verweisung auf das maßgebliche Heimatrecht ist auch das dortige Internationale Prozessrecht nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB mit einbezogen.

Somit kann trotz vormaliger gemeinsamer Staatsangehörigkeit deutsches Recht gem. Art 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB Anwendung finden, sofern das maßgebliche Heimatrecht eine Rückverweisung auf das Aufenthaltsrecht der Ehegatten zulässt.

 

Beispielsfall
Melek und Nuran haben als türkische Staatsangehörige in Ankara die Ehe geschlossen. Beide leben nun in München. Melek ist zwischenzeitlich deutscher Staatsangehöriger.

Im Falle einer Scheidung fände an sich über Art. 14 Satz 2 erste Alternative des türkischen Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts Nr. 5718 vom 27. November 2007 (im Folgenden tIPR) das Recht des gemeinsamen Aufenthalts Anwendung, mithin deutsches Recht. Maßgebend ist insoweit die Einreichung des Scheidungsantrags.

Allerdings käme auch die Anwendung türkischen Rechts in Betracht, sofern gem. Art. 29 des neuen türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 29. Juni 2004 (Nr. 5203) diejenigen (ehemaligen) Türken, die auf ihren Antrag hin vom Innenministerium aus der türkischen Staatsbürgerschaft entlassen worden sind, weiterhin alle Rechte türkischer Staatsangehöriger besitzen würden.

In diesem Fall könnte eine Rückverweisung seitens des türkischen Rechts nicht gewollt sein. Im Hinblick auf die Anerkennungsfähigkeit eines deutschen Scheidungsbeschlusses in der Türkei ist diese Unsicherheit besonders misslich!

Sofern Nuran aber zuvor in die Türkei zurückgekehrt wäre, verbliebe es nach Art. 14 Satz 2, zweite Alternative tIPR, in jedem Fall bei der Anwendung des türkischen Rechts.

Eine Rückverweisung auf das Recht des Staates, in dem das eheliche Leben überwiegend geführt wird, kennt auch das italienische Recht (Art. 31 Abs. 1 zweiter Halbsatz des italienischen Gesetzes Nr. 218 v. 31. Mai 1995, vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23. Dezember 2011 – II-8 WF 263/11; OLG Frankfurt, Beschl. v. 01. Juni 2007 – 6 WF 103/07).

 

2) Rom III-Verordnung in der Übergangsphase: Aufenthaltsrecht  bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit

Gewöhnlicher Aufenthalt

Als nächste Anknüpfungstatsache ist nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB auf das Recht des Staates abzustellen, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder während der Ehe zuletzt hatten, wenn einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Diese Vorschrift gilt bei gemischt nationalen/ binationalen Ehen und führt zur Anwendung deutschen Familienrechts, sofern die Eheleute in Deutschland leben bzw. zumindest einer der Ehegatten noch hier lebt.

 

Beispielsfall 1
Ole, dänischer Staatsangehöriger, ist mit Britta, schwedische Staatsangehörige, verheiratet. Die Eheleute leben in Kiel. Ole trennt sich von Britta. Sofern sich die Eheleute in Deutschland scheiden lassen wollen, gelangt deutsches Recht zur Anwendung.

Was ändert sich durch Rom III? Bei einer entsprechenden Rechtswahl nach Art. 5 Rom III-VO käme sowohl deutsches (Buchstabe a) oder d)) als auch dänisches (Buchstabe c)) als auch schwedisches (Buchstabe c)) Recht in Betracht.

Nach Art. 8 Buchstabe a) Rom III-VO wäre ebenfalls deutsches Recht anzuwenden.

Beispielsfall 2
Sophie, deutsche Staatsangehörige, ist mit Massimo, italienischer Staatsangehöriger, verheiratet. Die Parteien leben in Mailand. Sophie will sich nun in Deutschland scheiden lassen. Zur Anwendung gelangt über Art. 17 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB aufgrund des Aufenthalts in Italien italienisches Recht, das diese Verweisung auch annimmt (BGH, Urt. v. 25. Oktober 2006 – XII ZR 5/04).

Was ändert sich durch Rom III? Bei einer Rechtswahl nach Art. 5 Rom III-VO könnte sowohl italienisches Recht als auch deutsches Recht gewählt werden.

Bei fehlender Rechtswahl wäre nach Art. 8 Buchstabe b) Rom III-VO das italienische Recht maßgebend.

Ist seit der Aufhebung der Gemeinschaft mehr als ein Jahr vergangen, wäre nach Art. 8 Buchstabe d) Rom III-VO das Recht des Staates des angerufenen Gerichts maßgebend. Entscheidend wäre dann, welcher Ehegatte zuerst das Gericht anruft („forum shopping“).

Zurück zum alten Recht: Auch über das so genannte „Deutschenprivileg“ nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB kann sich Sophie nicht nach deutschem Recht scheiden lassen, da die vorgeschaltete Trennung nach italienischem Recht im Vergleich zu § 1566 Abs. 2 BGB nicht unzumutbar lange ist. Dass die Ehe nur derzeit nicht geschieden werden kann, ist insoweit unerheblich (BGH, Urt. v. 25. Oktober 2006 – XII ZR 5/04).

Praxistipp: Bei Ihren deutschen Mandanten, die unter das italienische Recht fallen: Achten Sie darauf, zeitnah das Trennungsverfahren einzuleiten.

 

3) Rom III-Verordnung in der Übergangsphase: Auffangtatbestand

Der Staat, mit dem die engste Verbundenheit besteht

Schließlich kann die Ehe nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB als Auffangtatbestand nach dem Recht desjenigen Staates geschieden werden, mit dem die Ehegatten am engsten verbunden sind.

Als beispielhafte Fälle nennt der Gesetzgeber den Verlauf der ehelichen Lebensgemeinschaft, Ort der Eheschließung, sofern dieser nicht rein zufällig gewählt wurde, gemeinsame soziale Bindung an einen Staat durch berufliche Tätigkeit (vgl. BT-Drucks. 10/504, S. 54).

In Betracht zu ziehen ist auch, ob die beteiligten Eheleute beabsichtigt haben, in einem bestimmten Staat zu leben (insbesondere in den Fällen, in denen in einem afrikanischen Staat die Ehe geschlossen worden ist, der afrikanische Ehepartner aber keine Einreisegenehmigung nach Deutschland bekommen hat und der deutsche Ehepartner sich dann in Deutschland nach hiesigem Recht scheiden lassen möchte).

 

Praxistipp: In jedem Fall wird von Ihnen als Anwalt erwartet, eine genaue Abwägung vorzunehmen. Dafür ist es notwendig, dass Sie umfassend zu den Anknüpfungstatsachen vortragen.

Zusammenfassender Beispielsfall
Massimo, italienischer Staatsangehöriger, ist mit Theresa, deutsche Staatsangehörige, verheiratet. Die Ehe wurde in Hannover geschlossen, wobei zwei Kinder in Hamburg zur Welt gekommen sind. Massimo war in Hamburg beruflich tätig.

Zwischen den Eheleuten kriselt es immer häufiger. Um wirtschaftlich und auch im Verhältnis zu seiner Ehefrau „auf die Füße“ zu kommen, siedelt Massimo mit der Familie nach Turin um. Die Ehewohnung wird aufgegeben, eine polizeiliche Abmeldung ist erfolgt.

Theresa geht mit nach Turin, allerdings behält sie es sich vor, mit den Kindern nach Deutschland zurückzukehren, wenn sich das Verhalten von Massimo nicht grundlegend ändert. Wenige Wochen später kehrt Theresa tatsächlich zurück.

In diesem Fall bestand kein gemeinsamer Aufenthalt mehr in Deutschland. Aber auch in Italien wurde kein dauerhafter gewöhnlicher Aufenthalt der Ehefrau begründet, da Theresa einen (inneren) Vorbehalt machte und dann tatsächlich nach wenigen Wochen zurückkehrte.

Dies reicht für Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB nicht aus, wohl aber, aufgrund der Gesamtumstände, für die Anwendung des Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB, wonach deutsches Recht maßgebend ist.

Was ändert sich durch Rom III? Nach Art. 5 Buchstabe c), ggf. auch über Art. 5 Buchstabe d) Rom III-VO könnten die Eheleute italienisches oder deutsches Recht wählen.

Bei mangelnder Rechtswahl käme nach Art. 8 Buchstabe d) Rom III-VO – je nachdem, wer zuerst das Gericht anruft – deutsches oder italienisches Recht in Betracht.

 
Fundstellen

Rom III Verordnung pdf / Rom III-Verordnung Text:

Rom-III-VO (Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 vom 20.12.2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts

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