Die Rom III-Verordnung ist seit 2 Wochen in Kraft – über die Theorie ist alles gesagt. Was jetzt zählt, ist die Praxis. Unsere zum Teil kniffligen „Beispielfälle Rom III“ machen Sie durch und durch mit der Rom III-Verordnung vertraut. Lesen Sie hier Teil 1 unserer aktuellen IPR-Serie!
Die Rom III-Verordnung betrifft auch Ihre Mandanten
Laut einer Untersuchung des Statistischen Bundesamtes gibt es in Deutschland fast 3 Mio. Ehen mit Auslandsbezug. Kommt es zur Scheidung, gelten für alle die Kriterien der neuen Rom III-Verordnung.
Für uns Familienrechtler lohnt es sich also wirklich, sich näher mit Rom III zu befassen. Als Einstieg eignet sich unser Artikel zum Inkrafttreten der Rom III-Verordnung. Und mit unserer kostenlosen Checkliste Rom III haken Sie alle relevanten Punkte direkt im Mandantengespräch ab.
In diesem Beitrag geht es aber nur um eins: Praxisbeispiele zur Rom III-Verordnung.
Rom III: Fälle, die auch in Ihrer Kanzlei passieren könnten
So einfach die Rom III-Verordnung die internationale Scheidung auch macht – die tägliche Anwaltspraxis bietet immer wieder Konstellationen, die Kopfzerbrechen bereiten.
Deshalb haben wir hier für Sie eine Auswahl mit Beispielen rund um die Rom III-Verordnung erstellt – wenden Sie die Lösungen einfach analog auf Ihre IPR-Fälle an. Hier kommt Teil eins unserer Fallsammlung.
Rom III-Verordnung: Sondervorschriften bei Trennung ohne Auflösung des Ehebands
Nach Art. 9 Abs. 1 Rom III-VO gilt das auf eine gerichtliche Trennung angewandte Recht auch für die Scheidung, sofern die Eheleute keine Rechtswahl getroffen haben.
Beispielfall: Die Italiener Mario und Antonia wurden 2012 in Mailand gerichtlich getrennt. Danach sind beide umgezogen, in unterschiedliche Städte nach Deutschland. 2015 stellt Antonia in Hamburg einen Antrag auf Scheidung. Um die Statuseinheit zu wahren, kommt über Art. 9 Abs. 1 Rom III-VO italienisches Recht zur Anwendung. |
Rom III-Verordnung: Die Auffangnorm
Art. 10 Rom III-VO ist als Auffangnorm gedacht, sofern das nach Art. 5 oder Art. 8 Rom III-VO anzuwendende Recht keine Ehescheidung vorsieht. Gleiches gilt, wenn einer der Ehegatten aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit keinen gleichberechtigten Zugang zur Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebands hat. Hier gilt das Recht des angerufenen Gerichts.
Diese besondere ordre-public-Klausel kann Ihnen bei bestimmten Mandaten Probleme bereiten.
Beispielfall: Rami und Senia, beide pakistanische Staatsangehörige und sunnitischen Glaubens, wollen sich 2013 scheiden lassen. Rami wohnt in Deutschland, Senia seit 2011 in Belgien. Rami beantragt in Nürnberg die Scheidung. Da die Buchstaben a oder b des Art. 8 Rom-III VO nicht greifen, käme pakistanisches Recht für Sunniten zur Anwendung.
Nach der islamischen Scharia steht dem Mann nur das einseitige Verstoßungsrecht zu („talaq“). Deshalb wäre Senia über Art. 10 Rom III-VO geschützt: Es müsste deutsches Recht zur Anwendung kommen. Da aber Senia mit der Scheidung einverstanden ist, ist Art. 10 Rom III-VO wohl einzuschränken: Ein Rückgriff auf die ordre-public-Klausel erscheint nur für den Fall notwendig, dass Senia sich scheiden lassen möchte, Rami aber nicht (vgl. auch Helms, FamRZ 2011, 1765, 1772). |
Rom III-Verordnung: Rück- und Weiterverweisungen
Nach Art. 11 Rom III-VO ist eine Rück- und Weiterverweisung nicht möglich.
Beispielfall: Liza und Anthony, beide ghanaische Staatsangehörige, möchten sich scheiden lassen. Liza wohnt in Köln, Anthony schon über ein Jahr in Paris. Nach Art 8 lit. c Rom III-VO kommt ghanaisches Recht zur Anwendung. Vor Inkrafttreten der Rom III-VO galt deutsches Recht, weil ghanaisches Recht vom „domicile“ geprägt ist (sog. versteckte Rückverweisung). Eine Rückverweisung ist aber seit dem 21.06.2012 ausgeschlossen. |
Rom III und die Praxis: Fortsetzung folgt!