Iudex non calculat? Beim Thema Elternunterhalt belehrt uns der BGH eines besseren und sorgt mit seinem immer noch wegweisenden Urteil vom 28.07. 2010 (XII ZR 140/07) für mehr Durchblick bei der komplexen Unterhaltsberechnung.
Familie verpflichtet – heute mehr denn je
Nicht ohne Grund hat das Thema Elternunterhalt in den letzten Jahren an rechtlicher Brisanz gewonnen. Angesichts der zunehmend höheren Lebenserwartung älterer Menschen wird die familiäre Solidargemeinschaft nicht selten auf die Probe gestellt – emotional und finanziell.
Mit der Lebenserwartung steigt auch die Pflegebedürftigkeit der älteren Menschen, die die berufstätige Generation der 40- bis 60-Jährigen häufig nicht allein bewältigen kann. Einzige Möglichkeit für viele Senioren ist der Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim. Doch auch hier steigen die Kosten. 2500 Euro und mehr pro Monat können Unterbringung und Pflege schnell kosten.
Erst hilft das Sozialamt, dann zahlen die „Kinder“
Können die Pflegebedürftigen für diese Kosten nicht selbst aufkommen, springen zunächst die Sozialämter ein – und versuchen im Anschluss, die Kinder der Bedürftigen für die übernommenen Kosten in Regress zu nehmen. Denn diese sind den Eltern gem. § 1601 BGB grundsätzlich zum Unterhalt verpflichtet.
Was kostet der Elternunterhalt?
Für den Unterhaltsanspruch gelten zunächst die allgemeinen familienrechtlichen Vorschriften, so dass neben der Bedürftigkeit des Elternteiles (§ 1602 BGB) auch die Leistungsfähigkeit des Kindes (§ 1603 BGB) gegeben sein muss. Diesem muss nicht nur der Selbstbehalt verbleiben, sondern es können auch vorrangige Unterhaltspflichten gegenüber den eigenen Kindern oder dem (Ex-)Ehegatten bestehen (§ 1609 BGB).
Wie verhalten sich die einzelnen Posten zueinander, wenn der Unterhaltspflichtige über höhere Einkünfte als sein Ehegatte verfügt? In den Leitsätzen des BGH heißt es hierzu u.a.:
„Von dem Familieneinkommen wird der Familienselbstbehalt in Abzug gebracht. Das verbleibende Einkommen wird um die Haushaltsersparnis vermindert. Die Hälfte des sich ergebenden Betrags kommt zuzüglich des Familienselbstbehalts dem Familienunterhalt zugute. Zu dem so bemessenen individuellen Familienbedarf hat der Unterhaltspflichtige entsprechend dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten beizutragen. Für den Elternunterhalt kann der Unterhaltspflichtige die Differenz zwischen seinem Einkommen und seinem Anteil am Familienunterhalt einsetzen.“ |
Kompliziert? Anschaulicher wird es dank konkreter Rechenbeispiele in den Entscheidungsgründen des Urteils (Beispiel aus BGH, Urt. vom 28.07. 2010 – XII ZR 140/07):
Einkommen des Unterhaltspflichtigen
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3.000,00 €
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Einkommen der unterhaltsberechtigten Ehefrau
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1.000,00 €
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Familieneinkommen
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4.000,00 €
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abzüglich Familienselbstbehalt
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2.450,00 €
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1.550,00 €
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abzüglich 10 % Haushaltsersparnis
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155,00 €
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1.395,00 €
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davon 1/2
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697,50 €
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+ Familienselbstbehalt
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2.450,00 €
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individueller Familienbedarf
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3.147,50 €
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Anteil des Unterhaltspflichtigen (75 %)
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2.360,63 €
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Einkommen des Unterhaltspflichtigen
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3.000,00 €
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abzüglich
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2.360,63 €
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für den Elternunterhalt einsetzbar
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639,37 €
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Praxistipp
Vereinfachend, so der BGH, kann man den individuellen Familienbedarf auch ermitteln, indem man den Familienselbstbehalt (im Beispiel: 2.450 €) und einen Betrag in Höhe von 45 % des um den Familienselbstbehalt bereinigten Gesamteinkommens der Ehegatten (im obigen Beispiel: 45 % von 1.550 € = 697,50 €) addiert.
Ermittlung der Leistungsfähigkeit
Der Mindestselbstbehalt des Kindes gegenüber Vater oder Mutter beläuft sich auf 1.400 €, für seinen Gatten auf 1.050 € monatlich. Doch ist das 2.450-Euro-Limit keine starre Grenze. Vielmehr entscheiden die konkreten Lebensumstände, welche Beträge die Kinder im Einzelfall behalten und welche sie mit dem Amt teilen müssen.
Als Abzugsposten fallen beispielsweise ins Gewicht
- Unterhalt für Kinder und Ehepartner
- Kreditraten für das Eigenheim und andere Darlehensverbindlichkeiten (hierbei ist allerdings der Wohnvorteil gegenzurechnen)
- Beiträge für die eigene Altersvorsorge
- ggf. Beiträge für eine Berufsunfähigkeitsversicherung, soweit diese erforderlich ist um die gesetzlichen Lücken zu schließen
- berufsbedingte Aufwendungen (Fahrtkosten, Fachzeitschriften, Berufskleidung)
Praxistipp
Häufig setzt das Sozialamt nur pauschale Abzüge an. Es lohnt sich daher, die konkreten Lebensumstände des Mandanten genau zu ermitteln und nachzuweisen. Für den Lebensstandard charakteristische Ausgaben können den Rückgriff des Sozialamtes zusätzlich schmälern. Dazu gehören etwa Vereinsmitgliedschaften, Kinderbetreuungskosten oder regelmäßige Urlaubsreisen.
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Schade, dass die Aktualität teilweise sehr zu wünschen übrig lässt. Ansonsten sehr informativ.
es ist leider nicht aktuell.
Aber trotzdem sehr informativ
Liebe Leserinnen und Leser, vielen Dank für Ihr Feedback. Unsere Seite Familienrecht.de ist als Blog konzipiert, so dass auch ältere Artikel immer auffindbar bleiben. Es stimmt: Je nachdem, auf welcher Seite man landet, kann dann der Inhalt schon mal nicht mehr zu 100% aktuell sein. Das obige Rechenbeispiel soll vor allem einen Rechenweg aufzeigen, die Rechenwerte sind vom Leser selbst an das jeweilige Jahr anzupassen. Ich bitte um Verständnis, dass wir nicht alle Artikel in diesem Blog laufend überarbeiten können. Wir halten aber unsere Augen offen und veröffentlichen nach Möglichkeit immer neue Artikel, wenn sich bei einem Thema wie Elternunterhalt etwas Entscheidendes ändert. Sie können zum Beispiel auf die Startseite klicken oder aber das entsprechende Stichwortverzeichnis öffnen oder aber auch unseren Newsletter abonnieren, um regelmäßig aktuelle Nachrichten zum Familienrecht zu erhalten. Vielen Dank und beste Grüße, die Redaktion.
Hallo, das SA erkennt nachgewiesen regelmäßig getätigte Urlaubsreisen sowie das regelmäßige Rücklegen eines bestimmten Betrages für die Ersatzbeschaffung eines PKW nicht an. Was tun, wenn das SA den Einwand nicht gelten last?
Gruß
Hallo zusammen! Der biologische Vater wollte von Laura, Tochter meiner Busenfreundin, nichts hören, fordert aber jetzt Elternunterhalt! 35 Jahre von ihm nichts gehört und ein Surprise! Erst soll der seine Vaterschaftsanfechtung beweisen, wie es uns gesagt wurde https://www.rakramer.de/ Danke für einen fachlichen Rat!
Hallo,
ich schreibe Ihnen heute wegen folgendem Anliegen:
Ich bin 29 Jahre alt und wurde seit dem Jahr 2000 (und bereits auch vielfach in den Jahren zuvor) von meinem Erzeuger im Stich gelassen. Meine Mutter hat jahrelang versucht Unterhalt von Ihm zu beziehen/bekommen. Dazu muss vllt auch erwähnt werden das ich eine kleinere Schwester habe, die ebenfalls von diesem Erzeuger stammt, sie ist 1999 geboren und kennt ihn nicht einmal wirklich.
Als meine Mutter dann quasi mit 2 kleinen Kindern, ohne Erzeuger, unsere Mäuler stopfen musste hat sie sich an das Jugendamt gewendet mit der Bitte um finanzielle Unterstützung.
Da mein Erzeuger aber nicht gefunden wurde(an der Adresse mehrfach nicht auffindbar) hat das Jungendamt zwar gezahlt aber bis heute muss meine Mutter das „geliehene“ Geld zurückzahlen und um dem ganzen noch eins drauf zu setzen hat das Jugendamt einfach aufgegeben ihn zu suchen.
Was kann ich hier unternehmen? Wie soll man nach so vielen Jahren noch nachweisen oder wie soll man hier generell nachweisen das er nie zahlen wollte?!
Jetzt habe ich einen Brief von dem Landeswohlfahrtverband Hessen erhalten und soll diesen „Mensch, der sich Erzeuger schimpft“ finanziell unterstützen.Da ich leider genug verdiene werde ich das wohl oder übel auch bezahlen müssen ( Aussage der Anwältin).
Mein Erzeuger wohnt in einer Sozialwohnung und möchte nicht arbeiten, das habe ich von seiner eigenen Mutter bestätigt bekommen.
Wie kann es sein das jmd, der Jahrelang sein Geld für Drogen und Akohol ausgegeben hat und Nie für seine eigenen Kinder aufkam, jetzt auf einmal von mir finazielle Untersützung bekommen will und kann?!
Laut Aussage der Anwältin werde ich bis an sein Lebensende für Ihn aufkommen müssen ohne jemals einen Cent von ihm bekommen zu haben?! Ist das noch ganz richtig? Wie kann es sein das der eigene Erzeuger das Leben seines Kindes so zerstören kann?!
Leider sieht es so aus das wir keinerlei Unterlagen vorlegen können das mein Erzueger nie Unterhalt gezhalt hat. Ich möchte erneut darauf hinweisen das er ständig betrunken oder zugedröhnt war, auch Therapied und Entzüge haben nichts gebracht.
Ich hoffe auf Ihre Unterstützung.
MfG Elena Weis
Hallo Elena.
Ich bin zwar etwas älter (54) hatte aber einen ähnlichen Werdegang, nur dass es bei mir die Mutter war. Vor etwa 15 Jahren bekam ich dann dieselben Unterlagen vom SA, mit dem Ziel das ich meine Mutter, von der 30 Jahre nicht gehört oder gar bekommen hatte, zu unterstützen. Um es ein wenig abzukürzen, ich musste am Ende nicht zahlen, weil ich vehement dagegen gewehrt habe. Ich habe zunächst einen ca. 5-seitigen DinA4-Brief mit meiner Lebensgeschichte verfasst, dem ich meinen einzigen „Nachweis“, einen ca. 20 Jahre alten Brief meiner Mutter, indem sie eine Kontaktaufnahme zu mir verweigerte, beigefügt habe. Daraufhin wurde ich von einer Sachbearbeiterin angerufen. Diese wollte an mein Gewissen appellieren, nach dem Motto, es wäre ja meine Mutter…
Ich habe ihr es allerdings klar gemacht, dass diese Frau in keinster Weise mehr eine Mutter für mich darstellt und ich jederzeit eine notarielle Erklärung abgeben würde, dass ich für meinen Vater, der sich immer um mich gekümmert hat, sofort auch mehr als gesetzlich gefordert aufkommen würde, sollte er bedürftig werden oder gepflegt werden müssen. Aber gegen die Zahlung auch nur eines Cents würde ich mich zur Not auch gerichtlich bis in alle Instanzen wehren. Und dazu würde ich auch meine „Mutter“ als Zeugin vor Gericht zerren und sie zur Not auch zu einer vereidigten Aussage zwingen.
Ich habe die Sachbearbeiterin am Ende überzeugen können und eine Härtefallregelung erreicht, die mich von allen Zahlungen befreit hat. Das alles ist verkürzt dargestellt und es hat viel Zeit und Mühe gekostet, aber es hat sich gelohnt. Ich habe zwei ältere Geschwister, die kein Lust hatten sich zu wehren bzw. der Meinung waren, sie müssen ebenfalls nicht zahlen, wenn ich dagegen angehe. Aber weit gefehlt, beide mussten später zahlen, wenn auch auf Grund ihrer eigenen Umstände nicht viel.
Ich hoffe, ich konnte dir etwas Mut machen und kann dir nur empfehlen, dich ebenfalls dagegen zu wehren. Es müssen nicht immer schriftliche Nachweise sein. Benenne Zeugen, die deine Familiengeschichte miterlebt haben, sammele Kleinigkeiten, die Du evtl. für nicht wichtig hältst. Und vor allem, schreib zunächst deinen ganzen Sch… auf und drücke dabei auch richtig auf die Tränendrüse. Packe auch den alten Schriftverkehr dabei soweit vorhanden, wo deine Mutter die Unterhaltersatzleistungen zurückzahlen musste. Falls nicht mehr vorhanden, besorge dir Kopien. Die Ämter archivieren sowas. Ich wünsche dir viel Glück.