Die Regierung will mit der Befristungsvorschrift des § 1578b Abs. 1 BGB einen wesentlichen Paragraphen des Unterhaltsrechts ändern – und das offensichtlich an der öffentlichen Diskussion vorbei.
Ehedauer soll bei Scheidung stärker berücksichtigt werden
Der § 1578b Abs. 1 BGB regelt die Befristung des Ehegattenunterhalts. Union und FDP möchten nun die Ehedauer explizit als weiteren Billigkeitsmaßstab für eine Befristung des Unterhalts einführen.
Nach dem Motto: Je länger verheiratet, desto mehr Unterhalt. Das Problem ist, dass diese Neuerung kurzfristig auf dem Trittbrett einer völlig anderen Gesetzesinitiative mitfahren sollte – und damit ohne Beteiligung der Praxis.
Denn eingebracht wurde die Änderung der Befristungsvorschrift des § 1578b Abs. 1 BGB am 23.11.2012 kurzerhand in einem Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP zu dem „Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Haager Übereinkommens vom 23.11.2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen sowie zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts“ (Drucksache 17/10492).
Kurzfristige Änderung des Unterhaltsrechts
Die Neuregelung der Unterhaltsbefristung sollte bereits am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft treten. Die Abstimmung im Bundestag war für den 28.11.2012 vorgesehen, wurde dann aber von der Tagesordnung genommen. Die Tagespresse meldete dennoch am 03.12.2012, dass der Entwurf noch in diesem Monat verabschiedet werden soll.
Bisher keine öffentliche Debatte zum neuen Unterhaltsrecht
Bemerkenswert ist: Obwohl das Unterhaltsrecht vor einer nicht unerheblichen Änderung steht, konnte sich die Praxis bisher nicht im Gesetzgebungsverfahren einbringen. Eine öffentliche Debatte wurde durch den ursprünglichen Zeitplan und die gewählte Verfahrensweise unmöglich gemacht.
Im Brennpunkt: Schutzbedürftigkeit von Altehen
Worum geht es? Die Frage, ob Altehen, die vor der Reform des Unterhaltsrechts am 01.01.2008 geschlossen wurden, beim Thema Unterhalt einen besonderen Schutz genießen sollten, spielte in der politischen Diskussion eine große Rolle.
Das Übergangsrecht regelte letztendlich, dass auch Altehen dem neuen Unterhaltsrecht unterworfen wurden. Der Gesetzgeber gewährte ihnen also bewusst keinen besonderen Schutz vor den Veränderungen – so auch nicht beim Thema Unterhaltsbefristung.
In der Diskussion über die schützenswerten Altehen ist allerdings von Anfang an übersehen worden, dass es schon vor der Reform des Unterhaltsrechts die Befristungsvorschrift des § 1573 Abs. 5 BGB alter Fassung gab.
Damit war der gesetzliche Schutz in Sachen Unterhaltsbefristung vor der Reform des Unterhaltsrechts nicht höher als nachher – jedenfalls nicht für die praxisrelevanten Unterhaltsansprüche aus § 1573 Abs. 1 und Abs. 2 BGB alter Fassung .
Änderungen des materiellen statt des Übergangsrecht
In der Begründung der nun bevorstehenden Gesetzesänderung argumentiert die Regierung trotzdem mit dem Schutz solcher lange dauernden Altehen. Darüber hinaus strebt sie nicht eine Änderung des Übergangsrechts an, sondern nimmt Änderungen an der materiell-rechtlichen Befristungsvorschrift des § 1578b Abs. 1 BGB vor.
Damit bewirkt die Initiative der Regierung – ob bewusst oder unbewusst – auch unterhaltsrechtliche Konsequenzen für die Ehen, die nach neuem Recht geschlossen wurden und länger dauern werden.
Ehegattenunterhalt: Ergänzung eines neuen Abwägungskriteriums
Der geänderte Gesetzestext soll lauten:
„§ 1578b Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit (1) Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen[,] oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Nachteile im Sinne des Satzes 2 können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben.“ |
Die entscheidende Änderung des Unterhaltsrechts befindet sich in Satz 2, dem der Halbsatz „oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre“ angehängt werden soll.
Die Argumentation der Regierung zur Änderung am Unterhaltsrecht
Die Gesetzesbegründung führt dazu aus:
„Auch der BGH hat mit seiner Rechtsprechung inzwischen verdeutlicht, dass eine Befristung oder Begrenzung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs unzulässig sein kann, wenn zwar keine ehebedingten Nachteile vorliegen, eine Beschränkung aber mit Blick auf die insbesondere bei Ehen von langer Dauer gebotene nacheheliche Solidarität unbillig erschiene (BGH, Urt. v. 06.10.2010 – XII ZR 202/08, DRsp-Nr. 2010/19139 = FamRZ 2010, 1971). Eine derartige Verpflichtung der Ehegatten zur nachehelichen Solidarität führt zu einem Ausgleich angesichts einer „fehlgeschlagenen Lebensplanung der Ehegatten“ (BGH, Urt. v. 29.01.2003 – XII ZR 92/01, DRsp-Nr. 2003/5191 = FamRZ 2003, 590, 592). Diese Linie verfolgen nunmehr – soweit ersichtlich – auch die Instanzgerichte. Vor dem Hintergrund der entstandenen Unsicherheit erscheint gleichwohl eine gesetzliche Klarstellung angebracht. Diese erfolgt durch die eigenständige Nennung des Tatbestandsmerkmals der Ehedauer als weiterem [sic!] Billigkeitsmaßstab[s] für die Herabsetzung von Unterhaltsansprüchen neben dem Bestehen ehebedingter Nachteile in § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB.“ |
Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung
Mit dieser Formulierung wird aber nicht nur – wie behauptet – eine Klarstellung vorgenommen.
Angesichts der zitierten eindeutigen Rechtsprechung des BGH und der Instanzgerichte zur Befristung des Unterhalts wäre eine gesetzgeberische Klarstellung auch nicht erforderlich. Es sei denn, man unterstellt politischen Aktionismus.
Vielmehr ginge die Neuregelung des Unterhaltsrechts deutlich über eine Klarstellung und Bestätigung der bisherigen BGH-Rechtsprechung hinaus.
Denn danach ist die Dauer der Ehe nur eines der – zahlreichen – Billigkeitskriterien im Rahmen der Abwägung nach § 1578b Abs. 1 BGB. Jetzt soll die Dauer der Ehe durch die ausdrückliche Aufnahme in den Gesetzestext besonders hervorgehoben und damit auch in seiner rechtlichen Gewichtung verstärkt, sozusagen „geadelt“ werden.
Praxishinweis zur Änderung am Unterhaltsrecht Nicht übersehen werden darf, dass der BGH die Ehedauer immer im Zusammenhang mit einer dadurch ausgelösten und bedingten wirtschaftlichen Verflechtung der Ehegatten im Sinne einer wirtschaftlichen Abhängigkeit gesehen hat, insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit zugunsten der Ehe und Betreuung der Kinder, nicht aber als isoliertes Kriterium, bei dem lediglich auf die reine Zeitdauer abgestellt wird (BGH, Urt. v. 06.10.2010 – XII ZR 202/08, DRsp-Nr. 2010/19139 = FamRZ 2010, 1971 und Urt. v. 11.08.2010 – XII ZR 102/09, DRsp-Nr. 2010/15119 = FamRZ 2010, 1637 mit Anm. Borth). Wird hingegen – wie es der Gesetzgeber offenbar will – die Ehedauer als eigenständiges Kriterium auf die gleiche Ebene wie die im Gesetz ebenfalls genannten ehebedingten Nachteile gestellt, werden damit für die zusammenfassende Billigkeitsabwägung die übrigen – nicht ausdrücklich genannten – Kriterien bewusst in den Hintergrund gerückt. Auch eine erst jetzt nach neuem Recht geschlossene Ehe führt dann nach langer Dauer zu einem unbefristeten Unterhaltsanspruch – trotz Kenntnis der bestehenden gesetzlichen Regelung. Dies müsste sogar dann gelten, wenn keinerlei wirtschaftliche Verflechtung im Sinne einer wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Unterhaltspflichtigen entstanden ist, sondern lediglich ein Einkommensunterschied die Basis für das Unterhaltsbegehren ist. Zu hoffen bleibt, dass eine so weitreichende Änderung am Unterhaltsrecht nicht im Hauruckverfahren beschlossen wird, bevor – wie sonst üblich – mit der Praxis ausführlich darüber diskutiert worden ist. |
Weiterer Aufsicht führender Richter am AG Dr. Wolfram Viefhues, Oberhausen
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